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Ein Standardwerk über Hugo Wolf

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Hugo Wolf. Eine Biographie. Von Frank Walker. Verlag Styria, Graz-Wien-Köln. 580 Seiten. Preis 135 S

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Hugo Wolf. Eine Biographie. Von Frank Walker. Verlag Styria, Graz-Wien-Köln. 580 Seiten. Preis 135 S

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Von einem Engländer also erhalten wir die vorläufig beste und, wie uns scheint, für lange Zeit maßgebende Lebensbeschreibung des großen österreichischen Liederkomponisten … Dank der sehr sorgfältigen und fachlich einwandfreien Uebersetzung durch Witold Schey ist an keiner Stelle des umfangreichen Werkes spürbar, daß dieses Buch von einem Ausländer geschrieben wurde. Durch Heranziehung unveröffentlichter Briefe, durch die vom Autor veranlaßte Aufzeichnung von Erinnerungen aus dem Freundeskreis Hugo Wolfs sowie durch mündliche Befragung zahlreicher Personen, deren Namensliste Seiten füllen würde, gelangen dem Autor wichtige Ergänzungen des vierbändigen Werkes von Ernst Decsey sowie Richtigstellung zahlreicher Irrtümer und Ungenauigkeiten. Der aus Windisch- graz in der Untersteiermark stammende Komponist hatte wahrscheinlich mütterlicherseits — diese Frage muß auch Walker offenlassen — italienisches, sicher aber slowenisches Blut (der Großvater Nußbaumer hieß noch Orehovnik).

Zugleich ist das Buch Frank Walkers auch eine Ruhmesgeschichte des Wiener Mäzenatentums. Mehrere Dutzend Namen von Männern und Frauen werden genannt, die dem Komponisten — der es seinen Freunden oft recht schwer machte — in der uneigennützigsten Weise bis zu seinem Tode dienten und sich darnach für sein Werk ein- »etzten. Die wichtigsten: Adalbert von Goldschmidt, Dr. Reitzes, die Familien Preyß, Köchert, Helmer, Werner, Gabillon, dazu die zahlreichen Freunde und Förderer, die sich Hugo Wolf während wiederholter und ausgedehnter Deutschlandreisen, insbesondere in Schwaben, erwarb.

Dieses „an tragischer Ironie so überreiche, arme und gebrochene Leben" muß von seinem Ende in der Landesirrenanstalt her betrachtet und gewertet werden. Nach nicht genau nachprüfbaren, aber wahrscheinlichen Zeugnissen und Indizien hat sich Hugo Wolf die verhängnisvolle Krankheit, die zur progressiven Paralyse führte, bereits in seinem siebzehnten Lebensjahr zugezogen. So erklären sich jene befremdlichen Charakterzüge, die ihm den Namen des „Wilden Wolf” eintrugen: das plötzliche, oft verletzende Abbrechen von Beziehungen, insbesondere zu Frauen, seine übermäßige Reizbarkeit, die krankhafte Geräuschempfindlichkeit, die ihn ruhelos von einer Wohnung in die andere jagte, der schroffe Wechsel von Schaffensfieber und Lethargie, von Einsamkeits- und hemmungslosem Mitteilungsbedürfnis und anderes mehr. Nach Walker war Hugo Wolf Freidenker wie sein Vater und Nietzscheaner. Schon 1892 bezeichnet er sich in einem Brief an seine Mutter als Ungläubigen, was ihn aber, wie wir wissen, nicht hinderte, zahlreiche religiöse Texte meisterhaft zu vertonen.

Als Musterbeispiel sachlicher Interpretation und Beurteilung können auch jene Kapitel gelten, in denen der Autor das Werk Hugo Wolfs behandelt, insbesondere das X. Kapitel des Buches („Vier Bände Lieder"). In einer umfangreichen Bibliographie sind alle in Buchform, in Zeitschriften und in Zeitungen erschienenen Hugo-Wolf- Studien angeführt. Ein etwa dreißig Seiten umfassendes Werkverzeichnis, das sämtliche Kompositionen — veröffentlichte und unveröffentlichte sowie Fragmente und Projekte — enthält, verleihen dem Buch Walkers wissenschaftlichen Rang.

Prof. Dr. H. A. Fiechtner

Nichts Menschliches ist mir fremd. Ein Lebensbericht über Raoul Aslan. I. Teil. Von Didier Aslan. W.-Frick-Verlag, Wien-Stuttgart-Zürich. 292 Seiten. Preis 78 S.

Vor Jahren erschien ein Buch über Raoul Aslan, den berühmten Schauspieler des Wiener Burgtheaters, das ihn vor allem als Künstler darstellt. Eine wichtige Ergänzung dazu ist der Lebensbericht, den nun sein Bruder Didier herausgab, und der den Menschen in den Vordergrund stellt. In einem Einleitungskapitel werden die Familie, das heimatliche Milieu und die Jugendjahre Aslans — in Saloniki und Wien — farbig und ansprechend geschildert. Die folgenden Teile bringen Briefe von und an Aslan, Tagebuchblätter und Kritiken, die sich zu einem sehr anschaulichen Bild des privaten Lebens und der schauspielerischen Entwicklung des Künstlers zusammenfügen. Früh erwachte seine leidenschaftliche Liebe zur Bühne. Wir erfahren von der bedeutungsvollen Stunde, da er noch als Gymnasiast Sonnenthal vorsprechen durfte, von dem ersten Auftreten 1906 in Hamburg, und können seinen Weg verfolgen, der ihn von dort über St. Pölten, Graz, Berlin und Stuttgart an das Volkstheater in Wien und schließlich an das Burgtheater führte. Mit dem Engagement am Burgtheater (1920) schließt dieser erste Teil des Lebensberichtes, der fortgesetzt werden wird. Fesselnd sind vor allem die sehr lebendig geschriebenen persönlichen Aufzeichnungen Aslans — oft von köstlichem jugendlichen Ueberschwang —, die viele Episoden, darunter auch Begegnungen mit berühmten Menschen (Isadora Duncan, Reinhardt) festhalten. Aus ihnen spricht ein sensibler Mensch von weitem geistigem Horizont, ein echter Künstler, der seiner Berufung hingebungsvoll dient. Seiner Ueberzeugung: „Mein Beruf ist mir heilig und keine Enttäuschung, keine Erniedrigung würd mich jemals wankend machen können" ist er immer treu geblieben. Wir lesen auch sehr treffende Bemerkungen über die Schauspielkunst. — Bildtafeln und Reproduktionen von Programmen ergänzen das Buch, das den vielen Verehrern des großen Darstellers gewiß Freude bereiten wird.

Dr. Theo Trümmer

Deutsch-slawische Nachbarschaft an der March. Von Anton Schultes. Im Selbstverlag des Museums für Volkskunde, Wien. 161 Seiten.

Als vierten Band seiner ausgezeichneten Veröffentlichungen, die seinerzeit durch Leopold Schmidts hervorragende „Gestaltheiligkeit im bäuerlichen Arbeitsmythos" so glänzend eingeleitet worden waren, legt das Oesterreichische Museum für Volkskunde eine gründliche Arbeit von Direktor Schultes vor, der vom grenznahen Hohenau aus Geschichte und Heimatkunde des niederösterreichischen Nordostens sorgsam erforscht hat. Die Schrift ist nicht nur durch das reiche, vortrefflich gesichtete Material sympathisch, sondern auch durch ihre Tendenz, völkerverbindend zu wirken. Die Symbiose zwischen Menschen deutscher und slawischer Zunge hat bei Schultes nicht, wie so oft, einen krampfartigen Haßkomplex ausgelöst, sondern den Autor zu einsichtigem Urteil über redlich beobachtete Tatsachen befähigt. So berichtet er von Geschichte, Sprache. volkstümlicher Literatur, religiösem Leben, Brauchtum, Tracht, Charakter, Gesundheit und Wirtschaft der Bewohner des Marchfelds und des Winkels zwischen Thaya- March. Kenntnis des Tschechischen, des Slowakischen und des Kroatischen befähigen den Verfasser auch zum Blick über die Grenze. Zahlreiche ungedruckte Quellen und die Lokalliteratur sind verwendet. Nur selten begegnen kleine Schnitzer, so etwa die Erwähnung eines Passauer „Erzbistums". Im Kern: ein gutes, schönes Buch.

Univ.-Prof. Dr. Otto Forst de Battaglia

So regiert sich England. Technik und Wesen der englischen Demokratie. Ein Vergleich zur Weimarer Republik. Von Adolf Schroeter. 135 Seiten. Preis 2.80 DM.

Zum Unterschied von den kontinentaleuropäischen Demokratien funktioniert die demokratische Regierungsweise in England seit Jahrhunderten reibungslos. Dies hat nicht nur seinen Grund im englischen Volkscharakter, der auf ein „fair play"eingestellt ist, sondern auch in dem System der englischen Demokratie, das weit entfernt von dem kontinentaleuropäischen ist, angefangen von der Wahlordnung, über die Sitzordnung im Parlament, die Form der Debatte, die Art der Regierungsbildung usw. Wäre dieses erprobte System besser nachgeahmt worden, hätten die europäischen Demokratien wahrscheinlich auch besser funktioniert. Das kleine Werk sollte vor allem von jenen gelesen werden, die sich mit Demokratie, Parlamentarismus und Regieren beschäftigen müssen.

DDr. Willy Lorenz

D.:s Linzer Bürgermeisterbuch. Von Georg G r ü 11. Sonderpublikationen zur Linzer Stadtgeschichte. Herausgegeben von der Stadt Linz, Städtische Sammlungen. Linz. 157 Seiten und 36 Tafelbilder.

Gewiß ein Wagnis, ein Bürgermeisterbuch zu schreiben ohne Stadtarchiv, das unverständlicherweise mit allen Wahlakten von 1524 an, 90 Prozent aller Handschriften sämtlicher Ratsprotokolle von 1515 bzw. 1531 bis 1795 in der Papiermühle am Steg im Jahre 1823 wegen mangelnder Räumlichkeiten eingestampft wurde. Die damalige Stadtverwaltung mit dem Bürgermeister Bischoff und insbesondere die vormärzliche Landesregierung unter dem Regierungspräsidenten Freiherrn von Hingenau sind für dieses Vernichtungswerk verantwortlich zu machen. Zum Glück hatte 100 Jahre vorher der Linzer Christian Sint als Stadtregistrator und -expeditor 1710 bzw. 1730 bis 1740 neben einem vierbändigen Direktorium Registraturae — der ehemalige Reichtum des Stadtarchivs wurde kaum von einem anderen im Lande ob der Enns überragt — eine umfangreiche Geschichte der Stadt in Chronikform, die später fortgesetzt und in zahlreichen Abschriften verbreitet wurde, verfaßt. Außerdem konnten die bemerkenswerten „Linzer Regesten" (bisher 20 Bände erschienen) sowie die reichhaltigen Bestände des oberösterreichischen Landesarchivs unter Beiziehung moderner Literatur für eine gesicherte Aufstellung einer Galerie von Linzer Stadtoberhäuptern in sieben Jahrhunderten dank- barst verwertet werden. Die in neun Zeitspiegeln von 1242 bis zur Jetztzeit aufscheinenden Stadtrichter und Bürgermeister erstehen in Kurzbiographien vor dem Betrachter, mit den Wappenbildern von Friedrich Schober (Linz) gezeichnet sowie den 36 ausgezeichneten Tafelbildern CThalten sie Farbe und Leben. Dem verdienstvollen Historiker und Archivar ist für diese beispielgebende Publikation innigst zu danken, desgleichen der Stadt Linz für diese ehrende Auszeichnung zu gratulieren. Druck und Ausstattung lassen nichts zu wünschen übrig.

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