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Zwischen St. Florian und Leipzig

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Johann Nepomuk David, der am 30. November seinen 65. Geburtstag begehen konnte, ist der Musiker „zwischen den Schulen und Richtungen“. Es ist erfreulich, daß dieser große Einzelgänger auch in Wien, wo er sich für längere Zeit eigentlich nur während seines Studiums (in den Jahren 1920 bis 1923) aufgehalten hat, durch drei Musikinstitute gefeiert wurde: in einem Festkonzert der Konzerthausgesellschaft (das an dieser Stelle bereits besprochen wurde), im Österreichischen Rundfunk und in einer Veranstaltung der Akademie für Musik im Großen Musikvereinssaal. — Als Sohn eines Leürers wurde J. N. David in Eferding in Oberösterreich geboren und empfing seine erste musikalische Unterweisung als Chorknabe im Stift von St. Florian, später am Stiftsgymnasium von Kremsmünster. Nach Studien an der Akademie in Wien war er kurz in Linz tätig, dann ging er nach Wels, wo er als Organist und Chorleiter wirkte. Hier gründete er den Welser Bach-Chor und begann sein umfangreiches Orgelwerk zu schreiben. 1934 kam er als Kompositionslehrer nach Leipzig und wurde hier auch Leiter der Kantorei. — Damit winde ein innerer Zug. nämlich der zur Musik Johann Sebastian Bachs, durch ein äußeres Amt bestätigt. Mit den frühen lugendeindrücken. unter denen die stärksten wohl von der Musik Bruckners ausgegangen sein mögen, verband sich bei David nämlich von jeher eine Affinität zur Welt des großen Kontrapunkts, speziell zu dem der vorklassischen Musik. Es ist auch etwas von jenem konservativen, dienenden Kantorengeist in David lebendig, der nun, in Leipzig, nicht nur seine Bestätigung, sondern auch ein entsprechendes Wirkungsfeld finden konnte. Bezeichnenderweise haben sich, in richtiger Erkenntnis dieser durchaus legitimen Nachfolge, auch die beiden großen Bach-Apostel und -Spezialisten Karl Straube und Albert Schweitzer für Johann Nepomuk David und sein mächtig anwachsendes Choral- und Orgelwerk eingesetzt.

Hier in Leipzig ist auch Davids symphonisches Werk weitergediehen, das bisher sieben große Symphonien umfaßt, von denen die VI. dem Wiener Konzerthaus gewidmet ist und am vergangenen Mittwoch im Österreichischen Rundfunk aufgeführt wurde. — Nach Kriegsende war Johann Nepomuk David vorübergehend als Leiter des Salzburger Mozarteums tätig, ging aber bald als Kompositionslehrer nach Stuttgart, wo er auch heute noch wirkt. — Zum Bild dieses Komponisten paßt auch, daß zwei seiner Söhne gleichfalls tüchtige Musiker sind. Das ist Kantorentradition. Thomas Christian David ist ein ausgezeichneter Chorleiter und -erzieher, der aber auch ein großes symphonisches Orchester (in dem bereits erwähnten Konzert war es das des Österreichischen Rundfunks) zu leiten versteht. Sein Bruder Lukas Da v i d ist ein hervorragender Geiger und ein Meisterinterpret der beiden mit technischen Schwierigkeiten gespickten und höchste geistige Anforderungen stellenden Violinkonzerte seines Vaters. Im Wiener Konzerthaus spielte er, unter der Leitung seines Bruders und vom Volksopernorchester begleitet, das 2. Violinkonzert aus dem Jahr 1957, im Großen Sendesaal des Österreichischen Rundfunks das 1. Violinkonzert, op. 45, aus dem Jahr 1952.

Bei den verschiedenen David-Feiern, die während der letzten Wochen in Wien stattfanden, durften natürlich auch die Chorwerke nicht fehlen. Die „Deutsche Messe“ für gemischten Chor a cappella wurde durch den Chor des österreichischen Rundfunks, die „Missa choralis de Angelis“ durch den Chor der Abteilung für Kirchenmusik unter der Leitung von Hans Gillesberger aufgeführt, die „Sechs Evangelien-Motetten“ durch den Wiener Kammerchor. Obwohl David ein Stimm- und Chorspezialist mit ausgedehnter Praxis ist, stellen seine Chorwerke an die Ausführenden, zuweilen auch an die Zuhörer, recht hohe Ansprüche. Das gleiche gilt auch für seine Orgelstücke. Hiervon gaben einige tüchtige junge Organisten (Istvan Klinda, Kurt Neuhauser und Otto Bruckner) einige sehr charakteristische Proben mit Partiten aus den Jahren 1945 bis 1955 und einem Frühwerk, der Chaconne a-moll aus dem Jahr 1927, die schon den Keim der späteren Entwicklung des Komponisten David enthält: des Kirchenmusikers zwischen St. Florian und Leipzig.

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