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Eine rüstige Fünfzigerin

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Zum Jubiläum der Wiener Staatsakademie für Musik und bildende Kunst

In der amtlichen „Wiener Zeitung“ vom 22. November 1908 wurde eine Allerhöchste Entschließung verlautbart, derzufolge das aus einer Singschule der Gesellschaft der Musikfreunde hervorgegangene und bereits seit 90 Jahren in wechselnder Gestalt bestehende Konservatorium ab 1. Jänner 1909 als k. k. Akademie für Musik und darstellende Kunst vom Staat übernommen und unter dem obigen Titel weiterzuführen sei. — Obwohl der Anlaß des fünfzigsten Geburtstages es nahelegt, sollen nicht die einzelnen Phasen dieses erstrangigen Instituts nachgezeichnet werden, sondern wir wollen versuchen, darzulegen, was die Wiener Musikakademie heute ist, was sie besitzt — und was sie leistet. Dies geschieht im Anschluß an eine Uebersicht, die vor kurzem der gegenwärtige Präsident der Akademie, Dr. Hans Sittner, gegeben hat.

Als besondere Leistungen seit 1945 sind zu vermerken: der Ausbau der Kapellmeisterschule zu einem international führenden, auf allgemeine und umfassende musikalische Bildung zielenden Bildungsgang; die Einrichtung der Abteilung Kirchenmusik, die sich hervorragender Lehrer rühmen konnte und bereits eine ganze Reihe hervorragender Praktiker und angesehener schöpferischer Kirchenmusiker hervorgebracht hat; die Einrichtung der Abteilung für künstlerischen Tanz, die jeweils von den hier lehrenden Künstlerpersönlichkeiten geprägt wurde und wird; die Reform der Schulmusikabteilung und der Ausbau der Lehrgänge für private und öffentliche Musiklehrer für verschiedene Spezialfächer; der Aufbau eines großen Chors, der bereits einen eigenen Männerchor und den bekannten, speziell durch die Interpretation älterer und schwierigster neuer Werke renommierten Kammerchor „abgespalten“ hat (der letztere ist zugleich auch — durch seine wiederholten Weltreisen — das wirksamste Propagandainstrument der Akademie); die Unterhaltung zweier, nur aus Akademieschülern bestehenden Orchester, deren eines, das Haydn-Orchester, nicht nur oft auswärts konzertiert, sondern sich auch durch Schallplattenaufnahmen einen Namen gemacht hat (die genannten Ensembles stehen auch für junge Dirigenten und Dirigentenkurse zur Verfügung); Pflege der Kammermusik in einer besonderen Abteilung, wo man besonderes Gewicht auf das Streichquartett und die Bläser legt; im Anschluß daran: Pflege und Sicherstellung des Wiener Klangstils: die Einsetzung einer „Stilkommission“ zur Wahrung und Erforschung echter Interpretation sowie für authentische Ausgaben: Pflege alter, insbesondere vorklassischer Muiiknüv eihem Collegium iMlKiajflfugMritfr'Eiittirild tung eines Praktikums für zeitgenössische Musik, ein elektronisches Studio zur Wiedergabe der entsprechenden Werke sowie ein Filmstudio; ein weitgespanntes Austauschprogramm mit Musikschulen in aller Welt, die hier Gastkonzerte geben und wohin die Studierenden der Wiener Akademie eingeladen werden; schließlich Sondervorträge und Gastvorlesungen sowie die Veranstaltungen in Bad Aussee.

Man sieht: ein überreiches Programm, aber eben nicht nur ein Programm, sondern eine ganze Reihe regelmäßig funktionierender Abteilungen und Arbeitsgruppen. Nur noch ein Stein fehlt in der Krone unserer Musikakademie: leider ist es ihr seit 1945 nicht gelungen, einen bedeutenden Komponisten der Gegenwart, einen Künstler von internationalem Rang, für längere Zeit an das Institut zu binden. — Die Bemühungen in dieser Richtung sind uns bekannt, nur verliefen sie eben bisher ohne Resultat. Unser Geburtstags- und Jubiläumswunsch geht in diese Richtung...

Zu Beginn des Festkonzertes im Großen Musikvereinssaal, bei dem der große Chor und das Orchester der Staatsakademie mitwirkten, wurden noch einige andere Wünsche ausgesprochen. Unterrichtsminister Dr. Drimmel erinnerte daran, daß im ersten Kuratorium des jubilierenden Instituts folgende Männer saßen: Guido Adler, Karl Goldmarck, Gustav Mahler, Felix von Weingartner, Ferdinand Löwe und der Chef des Hauses Bösendorfer. Glückliches Oesterreich, das in einem einzigen Jahr solche Männer seiner neugegründeten Akademie zu Paten geben konnte! — Diese künstlerische Potenz möge nie schwinden, desgleichen nicht die Arbeitsfreude und die kühne persönliche Initiative der Lehrerschaft. — Ihr sind, wie aus der Ansprache von Präsident Sittner hervorging (die verlesen werden mußte, da der Leiter des Instituts plötzlich erkrankte), heute insgesamt 1500 Studierende anvertraut, darunter ein Drittel Ausländer. Der ausgedehnte Unterrichtsbetrieb findet in fünf weit auseinanderliegenden Häusern statt und wird mit bescheidensten Zuschüssen aufrechterhalten. Der Appell des Akademiepräsidenten war an den Unterrichts- und an den Finanzminister gerichtet, hier mitzuhelfen, denn die Akademie braucht dringend ein Internat, besonders für die ausländischen Studierenden, und eine größere Anzahl von Stipendien, um das Werkstudenten tum nach Möglichkeit abzubauen.

„Ein schönes Fest, das uns die Jugend gibt“ nannte Felix Braun in seinem Prolog das abendliche Konzert, das mit Franz Schmidts „Präludium un Fuge D-dur' für Orgel eingeleitet wurde und au! das Handels „Halleluja“ aus dem Messias, Einem;

„Ballade für Orchester“ op. 23 (bei der das Schüler- orchester allerdings etwas überfordert war) und die II. Symphonie von Brahms folgten.

Am Morgen des Festtages fand in der Franziskanerkirche ein Dankgottesdienst statt, der von Kardinal-Erzbischof DDr. Franz König zelebriert wurde und bei dem Josef Lechthalers Missa „Rosa Mystica" und ein „Te Deum“ von Anton Heiller auf geführt wurden: eindrucksvolle Zeugnisse aus der Feder der besten Sakralkomponisten, die an der Abteilung für Kirchenmusik tätig waren und sind. (Das abschließende „Ave Maria“ von Bruckner paßte stilistisch nicht ganz zu diesen beiden kühnen und hochgeistigen Werken.)

Zur Einweihung der neuen Orgel, die zur Erinnerung an den Wiener Kirchenmusikkongreß von 1954 gewidmet wurde, hatte die Abteilung für Kirchenmusik geladen. Hier begrüßte Regierungsrat Msgr. Dr. Franz Kosch die Festgäste, worauf Kardinal-Erzbischof DDr. König das neue Instrument weihte, welches durch Anton Heiller mit einer Choralpartita von Johann Sebastian Bach vorgeführt wurde. (Wir bringen ein Bild mit Beschreibung der neuen, von Prof. Carry Hauser bildnerisch geschmückten Orgel auf unserer nächsten Musik- Sonderseite, die der Kirchenmusik gewidmet sein wird.)

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