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Pontifikalamt und Festakt

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Die Feierlichkeiten zum 150. Geburtstag der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien begannen am vergangenen Sonntagvormittag mit einem von Kardinal DDr. Franz König zelebrierten Pontifikalamt Im Stephansdom. Die Festpredigt hielt P. DDr. Diego Hanns Goetz. Wo hat die Kunst ihren legitimen Platz? Diese Frage beantwortete der bekannte Prediger, der selbst starke musische Neigungen und Fähigkeiten besitzt, durch Erörterung einer anderen Frage: „Was ist Wahrheit? Es gibt die göttliche Wahrheit, die Wahrheit des vom Verstand als richtig Erkannten, und die Wahrheit im Gewand der Schönheit, den geistigen Überschwang, den Charme, die Bezauberung. Dies ist die Wahrheit der Kunst. Ihr hat die feiernde und gefeierte Akademie 150 Jahre lang gedient. Möge sie ihr auch weiterhin treu bleiben“

Vom Akädemiekirehenchor und Bläsern der Wiener Philharmoniker wurde unter der Leitung von Professor Hans Gillesberger Bruckners festlich-feierliche Messe in e-Moll aufgeführt. Anton Heiller, ehemaliger Schüler und jetzt Lehrer an der Akademie, hat ein neues Werk geschrieben, ein Proprium von der Votivmesse zur heiligsten Dreifaltigkeit, das, ebenfalls unter Hans Gil-lesbergers Leitung, mit dem Komponisten an der Orgel uraufgeführt wurde. Die einzelnen Teile haben, wie alles von Heiller, eigenes Profil, sind stilvoll und Beispiele hoher Kunst, auf die die Worte P. Diegos trefflich passen. Obwohl an großen zeitgenössischen Vorbildern orientiert (Messiaen, Martin und Stra-winsky) ist Helllers Musik dem Geist der Gregorianik aufs engste verbunden. Der Festgottesdienst wurde von Prof. Hans Haselböck festlich-rauschend ein- und ausbegleitet.

Darnach begab man sich in den Großen Konzerthaussaal, wo der „weltliche“ Festakt, der die 150-Jahr-Feiern der Akademie einleitete, stattfand. Unter dem Klang der Königsfanfaren von Josquin Des-prez zogen die Ehrengäste ein: der vom Akademiepräsidenten geleitete Bundeskanzler, der Unterrichtsminister, die Rektoren (beziehungsweise deren Stellvertreter) aller österreichischen Hochschulen mit ihren Insignlen und die vielen Delegierten aus aller Welt. Letzteres ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn von den insgesamt 70 Musikinstituten, die es heute auf allen fünf Kontinenten gibt, waren mehr als 30 mit Delegationen vertreten, während fast alle übrigen durch Gratulationen und Ehrengeschenke ihrer Wertschätzung der Wiener Akademie Ausdruck verliehen.

Auch hier hatte ein Lehrer der Akademie das erste Wort: Alfred Uhl mit einer kurzen Akademle-Fest-fanfare. Hierauf sprach Fred Lle-wehr einen von Friedrich. Schreyvogl verfaßten Prolog, in dem sich mancher Über den Tag hinaus gültige Gedanke findet. Darnach trat Akademiepräsident Prof. Dr. Hans Sittner ans Pult. Er mußte zunächst viele, viele Namen nennen von Anwesenden, die zu begrüßen und von Gratulanten, denen zu danken war. Dann kam er zum Kernstück seiner

Rede: zur Bitte um Hilfe bei der Überwindung der würgenden Raumnot, unter der die Akademie schon seit vielen Jahren leidet, sowie zu seinem .ßekenntnis“: Zur Universalität — denn es gibt viele Schönheitsideale und viele Richtungen in der Kunst; zur Legitimität, das heißt: zur Vergangenheit und zur lebendigen Tradition; zur Humanität, das ist: zu dem Grundsatz, daß Dienen wichtiger ist als Verdienen; zur Persönlichkeit und ihrer eigenen Aussage (im Gegensatz zum alles nivellierenden Perfektionismus); schließlich: zur geistigen Landesverteidigung mit den Waffen der Kunst.

Hörte man nacheinander die Überbringer der Glückwünsche aus Prag, Belgrad, Warschau und Bukarest, aus London, Helsinki, Brüssel und Mailand, so konnte man nicht unbeeindruckt bleiben von der Einhelligkeit, mit der, von so verschiedenen Stimmen, Wien und seine Akademie

als Weltzentrum der Musik wie eh und je anerkannt wurde — vielleicht geschah es noch nie so frei von allen nationalen Ressentiments. Hier, in dieser Akademie, besitzen wir einen Schatz, der nicht nur zu erhalten ist, sondern der auch wesentlich gemehrt werden kann; und auf keinem anderen Gebiet sind Investitionen so sicher angelegt wie auf kulturellem, speziell auf dem Gebiet der Kunst, der Musik.

Wir wissen dieses unser vielleicht größtes nationales Vermögen in guten Händen. Das wurde zusätzlich von vielen ausländischen Rednern und Gratulanten bestätigt. So möge man auch dem Präsidenten der Akademie, Prof. Sittner, jene materielle Hilfe angedeihen lassen, die er unbedingt braucht, um das große Werk weiterzuführen. Der Unterrichtsminister hat sie zugesagt, es liegt an der Bundesregierung, sie zu effektuieren

Vom interpretatorlschen Standard der Akademie zeugt das zum festlichen Beschluß der Feier aufgeführte „TeDewm“ von Anton Bruckner. Der aus 250 Sängerinnen und Sängern bestehende Chor und das Orchester der Akademie bildeten unter der Leitung von Prof. Hans Swarowsky ein Riesenensemble von gewaltiger Kraft. Der imponierende Elan war durch keinerlei technische Mängel oder Ungenauigkeiten beeinträchtigt. Die Tonschönheit, auch an den exponiertesten fff-Stellen war vorbildlich. Das Solistenensemble bestand ausschließlich aus älteren und jüngeren Absolventen der Akademie: Anton Dermota, Tugomir Franc, Gertrude Jahn und Nicole Lorange. So schloß sich für diesmal der Kreis von Theorie und Praxis zum Wohlgefallen aller, die diese einzigartige Feier im Saal oder an den Rundfunkgeräten miterleben konnten.

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