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Festlicher Chorgesang

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Das immer stärker betonte Interesse an geistlicher Musik manifestiert sich zwangsläufig in erhöhter Bedeutung des Chorgesanges und gesteigertem Leistungsniveau der Chöre. Ein geistig profiliertes Programm hat mehr denn je ein eindrucksfähiges Publikum, das zwar gleichmäßigen Beifall spendet, nichtsdestoweniger aber scharf zu differenzieren weiß. — Unter der Devise „Preiset den Herrn, alle Völker“ wählte der WienerKammer-chor (Prof. Dr. Reinhold Schmid) alte und neue, leider auch starke und schwache'Chorkompositionen (bedauerlicherweise zumeist Fragmente) aus aller Welt in bunter Folge, die durch Zwischenrezitationen noch bunter wurde und in der Zwiespältigkeit von Geistlicher Stunde und Konzert, Literatur und Musik, Gounod und Strawinsky versandete, obgleich die gesanglichen Leistungen hohe, vereinzelt sogar ausgezeichnete waren (Stra-winskys „Pater noster“). Die Reserviertheit seines Vortrages ermöglicht dem Chor eine nahezu klassische Ausgewogenheit der Stimmen, dagegen selten den überspringenden Funken. — Der Vielfalt eines vom Akademie-Kammerchor (Prof. Ferdinand Großmann) absolvierten Programms lag eine dominante innere Einheit zugrunde. Von Gallus und Hofhaimer bis Marckhl und Hindemith erwies sich der Chor allen Stilen und Schwierigkeiten gewachsen. Die Tongebung ist verhaltener, gedeckter, wodurch Übermüdung im Stimmklang vermieden scheint. Dagegen führt die gelegentliche Überspitzung der Details zu schwankender Reinheit des Tons und vor allem zur Gefahr der Manieriertheit und Routine, der schlimmsten Gefahr des Chorsing4mi. In zwei Reiterliedchen von Hindemith und J.N. David bot der Chor nicht nur seine besten Leistungen, sondern auch zwei der schönsten modernen Chorlieder, die nach der ehrwürdigen, aber in ihrer Häufung spannungslosen Sdiönheit alter Meister Geist und Herz erfrischten. — Ein frischer musikantischer Zug, österreichisches Chorsingen von je kennzeichnend, belebte auch das Debüt des Chores derLehrerbildungsanstalten (Prof. Dr.RupertCorazza), der ältere und neuereChor-sätze in erstaunlich sicherer Differenzierung sang. In zwei J. S. Bachschen Kantatenchören war dem witwirkenden Kinderchor die Choralmelodie anvertraut, der sich in das anerkennenswert hohe Niveau der Ausführung unbeirrt einfügte. Der Abend bot ein doppeltes Bild: jener Musikerziehung zunächst, die als einziges die Jugend vor dem Abgleiten in Unmusik zu bewahren vermag, und jenes Standes zugleich, der von alters her bedeutender Träger heimischer Musikkultur gewesen ist.

Im Rahmen der Vierzig jahrfeier der Abteilung für Kirchenmusik an der Akademie für Musik und darstellende Kunst sang der Akademie-Kirchenchor (Prof. Dr. Hanns Gillesberger) an einem Konzertabend imBrahms-SaalPalestrinasMissa Papae Marcelli und — unterstützt vom Akademie-Kammerchor, dem Chor der Abteilung für Musikerziehung und einem Solistenquintett die vierchörige Missa Cantate Domino von Ernst Titte 1. Das Werk wurde anläßlich seiner Uraufführung im Vorjahr eingehend gewürdigt. Hier sei nur auf einen bedeutungsvollen Zusammenhang der beiden Kompositionen hingewiesen, die, durch Jahrhunderte getrennt, eine annähernd gleiche Funktion als Korrektiv allzu weit vorstürmender Neuerungen innerhalb der liturgischen Musik ausüben. Die konzertante Wiedergabe war übrigens beiden Messen abträglich, da diese Musik außerhalb des Gottesdienstes gleichsam Diener ohne Herr bleibt. Dagegen hatte die urauf-geführte Messe in Lydisch für Chor und Orgel von Anton Heiller (Franziskanerkirche) den ihr zukommenden Platz im liturgischen Geschehen und daher auch ihre volle Wirkung. Ein Spitzenwerk moderner Kirchenmusik, bedeutet sie in der ruhigen Haltung, der klaren Linienführung und aufgelockerten Polyphönie einen wesentlichen und bedeutsamen Fortschritt gegen ihre weit stürmischere mixolydische Schwester. Die etwas bedächtige

Aussendung der Themen führt in den Hauptteilen zu ebenso großer als knapper Entfaltung, ehe nach letzten Höhepunkten im Agnus die Thamen im Dona gleichsam zurückgerufen und eingesammelt werden. Bemerkenswert ist außerdem die an mehreren Stellen auftretende, auf barocke Tradition zurückgreifende, lyrisch-dramatische Ausdrucksweise. — Ein vorbildlich gesungenes Choralamt und eine festliche Orgelweihestunde, beides von Schülern allein durchgeführt, ergänzten die Festaufführungen der jubilierenden Abteilung, für deren von ihrem Leiter, Konsistorialrat Prof. Dr. F r a n z K o s c h, dargestellte Erfolge und Ziele hohe Vertreter der geistlichen und weltlichen Obrigkeiten Worte der vollen Würdigung fanden, denen auch unsere bescheidenen Glückwünsche angefügt seien zu stets weiter ausgreifendem Wirken als Zentrum kirchenmusikalischen Lebens in Europa.

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