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Kostbarkeiten und Raritäten

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In der Reihe der Eggenberger Schloß-k o z e r t e, die ja einen der wichtigsten Anziehungspunkte der Grazer Sommerspiele darstellen, brachten auswärtige Ensembles manches Juwel barocker Musik zu Gehör. Während Isolde A h 1 g r i m m zusammen mit der Camerata V i n -dobonensis in vollkommener Stiltreue bezaubernde Werke meist wenig bekannter Meister zur reinen Freude der Zuhörer bot, hinterließ die Camerata Academica aus Salzburg einen nicht ebenso günstigen Eindruck: den Streichern fehlte es an Präzision und Kontur — ein Mangel, über den auch die Solisten des Abends nicht hinwegtäuschen konnten. — Fast zu umfangreich für den Eggenberger Rittersaal schien zunächst das Prager Kammerorchester zu sein. Aber derlei Bedenken wurden im Nu hinweggefegt vom Musikantentum dieses weltberühmten Klangkörpers, seinem feurigen Temperament und der stupenden, aber immer noch beseelten Artistik. Aufs schönste und beste ergänzten Grazer Künstler die Darbietungen auswärtiger Ensembles. Das war die schwierige und gelungene Bewährungsprobe des Grazer Akademie-Kammerchors unter Karl E. Hoffmann im letzten der Schloßkonzerte: ein buntes Programm, das von Lassus über Schubert und Brahms bis zu Menotti reichte, aber geeignet war, die Elastizität des Chors zu manifestieren. Menottis Madrigalfabel „The Unicom, the Gorgon and the Manticore“ besitzt so viel Witz, Weisheit und manchmal sogar echte Poesie, daß man die eminente Schwierigkeit dieser zwölf Chorsätze und der instrumentalen Interludien beinahe übersehen hätte. Von besonderer Qualität war auch — allerdings außerhalb des offiziellen Programms — ein Konzert des Grazer „Collegium musicum“ unter Franz Illenberger mit Chören von Schütz, Gesualdo und Debussy. Illenberger, der sich an diesem Abend auch als Cembalist mit englischer Virginalmusik meisterhaft bewährt hatte, widmete in einer Geistlichen Abendmusik seine große Kunst als Organist unter anderem den Manualiter-Chorälen aus dem 3. Teil von Bachs „Ciavierübung“. Walter Klasinc spielte die dritte Violinsolosonate technisch makellos und mit ganzer Hingabe an die Herrlichkeit und Tiefe dieses Werkes.

Eine ähnliche Vertiefung und Besinnung, welche diese Abendmusik in der barocken Barmherzigenkirche kennzeichnete, ging auch wieder von der nach einjähriger Pause wiederaufgenommenen Aufführung des Bidermannschen „Cenodoxus“ aus. Die hervorragende Inszenierung Fritz Z e c h a s übte auch heuer wieder ihre packende und aufrüttelnde Wirkung. Der traditionelle „ F i d e 1 i o “, der für die Kasemattenbühne des Grazer Schloßbergs wie geschaffen ist, wurde diesmal in einer Neuinszenierung Andre D i e h 1 s unter der musikalischen Leitung Berislav Klobucars als Schlußveranstaltung präsentiert. Die erste Aufführung, die wegen des Schlechtwetters ins Opernhaus verlegt werden mußte, zeigte eine monu-mental-dräuende Kerker-Vision des Bühnenbildners Wolfram S k a 1 i c k i, 6onst aber eher diskutable Dekorationen. Der Abend litt unter gewissen Ungenauig-keiten im Musikalischen, die aber neben der straffen Energie und der leidenschaftlichen Verhemenz, die Klobucars Führung ausstrahlte, nicht allzu schwer ins Gewicht fielen. Neben den berühmten Gästen (der Leonore von Gertrude Grob-Prandl und dem prächtigen Rocco Otto von Rohrs) konnte sich das heimische Ensemble recht gut behaupten.

Gegen Schluß der Sommerspiele hatten die Veranstalter noch einen besonderen Trumpf ausgespielt: die österreichische Erstaufführung von Henry Purcell „King Arthur“. Die konzertante Darbietung der Musiknummern dieser „Halboper“, unter Fritz von Blohs Leitung ausgeführt von mehreren deutschen Ensembles (darunter der Kammerchor der Musikhochschule Hannover) in Verein mit dem stilkundigen, prächtig singenden

Solistenquartett der Londoner „Saltire Singers“, vermittelte in ihrer schlichten Werktreue ein eindrucksvolles Bild dieser barocken Zauberoper, obgleich man auf das szenische Geschehen zu verzichten hatte. Bewundernswert ist, wie Purcell hier neben den heiteren Nummern herkömmlichen Stils sich mit einfachsten rhythmischen und harmonischen Mitteln einer realistischen Naturschilderung nähert. Die berühmte Frost-Szene mit ihren Streichertremoli, der ruckweise auf- und absteigenden Baßstimme und den Staccati des Chors ist ein glänzendes Beispiel für diese Art musikalischer Illustration. Das Werk gibt Zeugnis vom sicheren Theaterinstinkt seines Schöpfers und gipfelt schließlich in einem prophetischen Hymnus auf den Ruhm Britanniens.

Überblickt man solcherart den Reigen der Veranstaltungen, so tritt das Unbehagen, das einen ob der gar zu großen Zufälligkeiten und mancher Ideenlosigkeit der Programmgestaltung in den vergangenen zehn Jahren oft und oft bedrängt hatte, heuer doch weitgehend zurück. Das Fazit ist durchaus positiv. Die Sommerspiele 1963 gaben sich ehrlich als das, was sie sein können: ein rechtschaffenes, sommerliches Festival, ein wenig abseits vom großen Strom des Tourismus, ohne snobistische Künstelei, aber immerhin mit Ambitionen, die nicht zu nieder gesteckt sind. Alte und neue Musik, Opern und Sprechstücke, die Perfektion internationaler Ensembles, die Hingabe heimischer Künstler und schließlich die Anziehungskraft festlicher Schauplätze runden sich zu einem im ganzen recht erfreulichen Bild. (Siehe auch unseren Bericht in Nr. 28 der „Furche“.)

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