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Opernreprisen in grober Besetzung

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Vor Antritt ihrer Gastspielreise zeigte sich die Staatsoper den Wienern in vollem Glänze. Wir sahen noch einmal „W o z z e c k“ von Alban Berg: musikalische Gestaltung und Inszenierung ebenso gewandt und packend wie die rasche Verwandlung der Bühnenbilder. Die ausgezeichnete Besetzung stellte in jeder Figur eine künstlerisch runde und bedeutende Leistung, allen voran Josef Hermann und Christi Goltz, deren realistische Lebensechtheit von ungeheurer Spannung ist. Größer und bewundernswerter jedoch ist ihre Kunst als „F 1 e k t r a“ von Richard Strauß, darin sie die Bühne vom ersten bis zum letzten Takt beherrscht und in Spiel, Gesang und ekstatischem Ausdruck zu großartiger Einheit gelangt, deren Dämonie kaum zu steigern sein dürfte und selbst neben der prachtvollen Klytämnestra Margarete Kloses und der schönen, verschüchterten Chrysotemis Hilde Zadeks Mittelpunkt der Szene bleibt und erst vor der drohenden Erscheinung des Orest (Schöffler) gleichsam zur Besinnung kommt. Auch hier ist die musikalische Leitung bei Karl Böhm in den „straußischesten“ Händen — nur das an sich großartige und düstere Bühnenbild läßt manche Wünsche offen. — Mit Martha Modi als Gast sahen wir ferner „M a c b e t h“ von Verdi und konnten der Bayreuther Isolde auch in der so gegensätzlichen Rolle der Lady Macbeth unsere Bewunderung nicht versagen. Die unheilvolle Macht des weiblichen Ehrgeizes ist selten in so überzeugend persönlicher Profilierung dargestellt worden. Josef Metternich als Macbeth und Oskar Czerwenka als Banquo waren ihre ausgezeichneten Gegenspieler. John Pritchard als musikalischem Leiter ist eine nützliche Straffung der Tempi zu danken.

Außerhalb der Oper konnten wir Martha M ö d 1 als Liedersängerin hören und bewunderten die außerordentliche Disziplin, mit der die hochdramatische Stimme in die kleinen lyrischen Bogen romantischer Lieder sich fügte und Gesänge von Schumann, Brahms und Hugo Wolf ebenso überzeugend gestaltete wie die großen Opernpartien. Der dunkle eindringliche Ton der großen Stimme wird plötzlich warm und überredend, sogar leicht schelmisch, wenn auch die Kunst der Führung das primäre Erlebnis bleibt.

Das fünfte Orchesterkonzert des Zyklus/„Musica nova“ brachte mit Rolf Liebermanns „Streitlied zwischen Leben und

T o d“ ein modernes Tonwerk sehr persönlicher Eigenart, das in knappen, substanzdichten Gegensätzlichkeiten die beiden Welten scharf zu profilieren weiß. Elemente der Dodekaphonik sind in dieser Musik ebenso wirksam als eine fast durchgehend festgehaltene Bitonalität. Dennoch bleibt die Tonsprache verständlich und logisch und hinterläßt nachhaltigen Eindruck. Weniger ist dies von Goffredor Petrassis IX. Psalm zu sagen, dessen musikalische Substanz weniger dicht, dessen Formung weniger knapp und dessen Eindruck daher weniger überzeugend ist. Solisten, Chor und Orchester boten ausgezeichnete Leistungen unter der Leitung Heinrich Hollreisers.

Abermals eine gegensätzliche Welt tat sich im J.-S.-Bach-Chorkonzert der Abteilung für Kirchenmusik an der Akademie für Musik auf. Der von Prof. Dr. Hans Gillesberger geführte Chor brachte zwei Motetten und die Kantate „Gottes Zeit“ zu einer Wiedergabe, die im besten Sinne als geistlich, ja sogar als kirchlich angesprochen werden kann, die aber nichtsdestoweniger in vollstem Sinne bachisch war. Hier ging es nicht um musikalisch-formale Probleme, sondern um den Geist, in dem der Thomaskantor musizierte, und man spürte das Weben dieses Geistes gleicherweise in der gesanglichen Leistung als aus dem Vortrag des Leiters der Abteilung, Prof. Dr. Franz Kosch, über „Johann Sebastian Bach und die katholische Kirchenmusik“.

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