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Große Konzerte an der Jahreswende

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Ein Schubert-Festkonzert der Chorvereinigung „Ju n g -W i en" unter Professor Leo Lehner vermochte in der Tat durch unbekannte Schubert-Chöre zu überraschen, wie „Entra Puomo..und die durch Dr. Fritz Racek glücklich ergänzte Introduktion aus der Oper „Sakuntala", darin man bereits der Kopfmelodie aus der D» » ’vhcn Messe begegnet. Bedeutender war die sehr repräsentative Wiedergabe der F-dur-Messe, der ersten großen Kirchenmusik des Siebzehnjährigen, die zugleich den ersten vollen Akkord sakraler Romantik darstellt. Der mehr allgemein-frommer Stimmung als liturgischer Funktion entsprechende Duktus sowie die freie, zuweilen unbedenkliche Textbehandlung weisen das Werk heute mehr dem Konzertsaal als der Kirche zu, sichern ihm dort jedoch einen unvergänglichen und nicht genügend gewürdigten Platz. Die sorgfältige Führung durch den Dirigenten vermochte Solisten und Chor zu schöner Einheit zu binden und in Schubertsches Fluidum zu tauchen.

Ein von der Oesterreichischen Frauenbewegung veranstaltetes Festkonzert unter der musikalischen Führung von William Strickland (USA) hatte in seinem bunten Programm vielerlei zu bieten, darunter das Violinkonzert von Samuel Barber (G-dur, op. 14), das in seiner kleinmotivischen Arbeit im Grunde kammermusikalischen Charakters ist, im langsamen Mittelsatz jedoch großen Atem erreicht. Der gemäßigt moderne Stil trägt durchaus profilierte Handschrift. Die Biblische Trilogie aus dem Oratorium „Des Heilands Kindheit1' von Hector Berlioz vermochte trotz der Ausgewogenheit zwischen Solostimmen, Chor und Orchester keinen nachhaltigeren Eindruck zu vermitteln, da jede musikalische Spannung fehlte. Dagegen erwies sich A. Dvoraks „T e D e u m" als ein zwar .liturgiefremdes, doch höchst apartes, dramatisch lebendiges symphonisches Chorwerk.

Frank Martins „Concerto” für sieben Bläser, Pauke, Schlagzeug und Orchester wurde im Konzert der Wiener Symphoniker unter Fritz Lehmann in hervorragend plastischer Wiedergabe exekutiert, die sowohl den instrumentalen Profilen als der klaren Architektonik der Komposition gerecht wurde. Der bedeutendste Teil scheint uns das Adagietto, das trotz seiner Kürze symphonische Weite entfaltet und der Tiefe nicht ermangelt. Der Schwerpunkt des Abends lag allerdings in Beethovens Konzert für Violine und Orchester, darin Arthur Grumiaux seine künstlerische und virtuose Meisterschaft in voller Entfaltung zeigte und in dem unter Fritz Lehmann prächt'g musizierenden Orchester einen ebenbürtigen Partner fand. Ein Hauch der Beethovenschen

Wucht lag noch über der das Programm abschließenden Jupitersymphonie Mozarts.

Franz Schütz spielte an seinem ausschließlich Werken J. S. Bachs gewidmeten Orgelabend seltener gehörte Stücke (Fantasie in G, Präludium und Fuge in C, Toccata und Doppelfuge in F) und dazwischen neben kleineren Choralvorspielen die Choralvariationen über „O Lamm Gottes unschuldig" sowie die Pastorale in F. Sein Spiel hat den großflächigen Charakter der alten Orgelmeister mit Freskoregistrierung. Agogische Freiheiten wachsen sich allerdings gelegentlich bis zu rhythmischen Undeutlichkeiten aus, die durch unvermittelte Temporückungen verstärkt werden. Dies mag jedoch dem Willen entspringen, aus der Not eine Tugend zu machen, da die Musikvereinsorgel modernen Anforderungen kaum mehr gewachsen ist.

Hans Hotters große weichgetönte Opernstimme hat sich in weiser Dosierung vollkommen auch in der Interpretation kleinbogiger Lieder gezeigt. Aus dem Wohlklang der Sprache und der Melodie erblüht ein geistiges Gestalten, das insbesondere in Schumanns „Dichterliebe" mit ihrer verhaltenen Gefühlstrunkenheit zu einer Meisterschaft erwuchs, hinter der selbst die Lieder von Hugo Wolf und Richard Strauss in ihrer Ausdeutung zurückblieben, ausgenommen „Himmelsboten" und „Junggesellenschwur“, die wir selten so plastisch singen hörten. Man erlebte einen der großen Liederabende des Jahres.

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