6736470-1966_22_16.jpg
Digital In Arbeit

Orchester, Dirigenten, Solisten

Werbung
Werbung
Werbung

Bei den Wiener Festwochen alternieren, wie man weiß, Konzerthausgesellschaft und Gesellschaft der Musikfreunde. Heuer ist die letztere an der Reihe, und ihr Generalsekretär, Professor Rudolf Gamsjäger, hat ein imposantes Programm erstellt. Was im Musikverein vom 22. Mai bis 19. Juni stattfindet, kann man wohl am besten als eine große Orchester-, Dirigenten- und Solistenparade bezeichnen. Insgesamt werden zehn Orchester, und zwar die meisten unter ihren ständigen Dirigenten, konzertieren. Darunter befinden sich natürlich auch die drei größten heimischen: die Wiener Philharmoniker, die Symphoniker und das Niederösterreichische

Philharmonische Orchester, das aus dem vor etwa 220 Jahren begründeten Orchester der steirischen Landstädte hervorgegangen ist und seit 1950 durch das Zusammenwirken von Stadt, Land und Sendergruppe Alpenland als Grazer Philharmonisches Orchester neu gegründet wurde. Es sei daran erinnert, daß in Graz mit diesem Orchester unter Karl Muck Bruckners Siebente und unter Franz Schalk des Meisters fünfte Symphonie uraufgeführt wurde, ebenso Mahlers Dritte unter der Leitung des Komponisten.

Das Salzburger Mozarteum-Orchester führt seinen Ursprung bis auf die fürsterzbischöfliche Hofkapelle zurück, in der Leopold

Tonkünstlerorchester. Sie eröffnen den festlichen Reigen, und zwar die Philharmoniker im Rahmen einer Matinee unter Dr. Karl Böhm mit Wilhelm Backhaus als Solisten, mit einem reinen Beethoven-Programm. Am Abend des gleichen Tages spielen die Wiener Symphoniker Haydn und Bruckner und begleiten Vater und Sohn Oistrach in dem Konzert für zwei Violinen von J. S. Bach.

Von österreichischen Ensembles wirken mit: das von Berislav Klobucar dirigierte Grazer

Mozart spielte. 1880 wurde die Musiksdiule Mozarteum gegründet und unter Mitwirkung dieses Orchesters fanden unter Leitung von Bernhard Paumgartner die ersten Salzburger Mozart-Feste statt. Seit 1945 besteht es nur noch aus Berufsmusikern. 1962 wurde Mladen Basic sein ständiger Leiter, der es auch in Wien dirigieren wird. Das Programm reicht von Mozart über Schönberg bis Ernst Krenek. Nennen wir noch das Bruckner-Orchester der Stadt Linz unter Kurt Wöss und, als einziges vokales Gastensemble, den Kammerchor Walther von der Vogelweide unter der Leitung von Dr. Othmar Costa.

Als erstes Gastorchester werden wir die Berliner Staatskapelle hören, die in wenigen Jahren ihr vierhundertjähriges Jubiläum feiern kann. Unter Carl Heinrich Graun mit Johann Joachim Quantz als Flötisten und Philipp Emanuel Bach am Cembalo war sie eines der besten europäischen Ensembles der Zeit. — Wie man sieht, gibt es auch andernorts eine große musikalische Tradition. Tun wir einen Sprung ins 19. Jahrhundert, als Spohr, Meyerbeer, Mendelssohn und Otto Nicolai die Leiter der Staatskapelle waren und Carl Maria von Weber sowie Richard Wagner hier als Gastdirigenten auftraten. Weltgeltung erlangte die Staatskapelle allerdings erst unter Felix von Weingartner, der von 1892 bis 1907 das Orchester leitete, gefolgt von Karl Muck und Richard Strauss. 1920 übernahm der 34jährige Wilhelm Furtwängler die Leitung, ihm folgten Hermann Abendroth und Erich Kleiber, der sie auch in den Dienst der preußischen Staatsoper stellte. Es waren jene heroischen zwanziger Jahre, als „Jenufa”, „Wozzeck” und Milhauds „Christoph Columbus” ihre Ur-, beziehungsweise deutschsprachige Erstaufführung erlebten. Avantgardistische Programme gab es auch im Konzertsaal unter Otto Klemperer und Alexander von Zemlinsky. Nach 1933 traten an ihre Spitze Wilhelm Furtwängler, Clemens Krauss und Herbert von Karajan. Den Wiederaufbau nach 1945 leisteten Johannes Schüler, Leopold Ludwig und Josef Keil- berth. Nach verschiedenen Gastdirigenten übernahm 1955 Franz von Konwitschny zugleich auch Chef der Berliner Staatsoper, das Orchester, dem 1964 Otmar Suitner als Chefdirigent folgte. Er wird die drei Festwochenkonzerte, deren Programm von Mozart bis Reger und Ravel reicht, dirigieren.

Ein zweites, in Wien ebenfalls noch unbekanntes Orchester ist das der Beethoven- Halle Bonn, das 1907 als städtisches Orchester Bonn gegründet wurde und 1963 seinen neuen Namen bekam. Unter den Dirigenten Sauer (der sich besonders für Bruckner einsetzte), Max von Schillings, Siegfried Wagner, Siegmund von Hausegger, Max Reger und Fritz Busch trat das Bonner Orchester als würdiger Repräsentant der Beethoven-Stadt bei zahlreichen Musikfesten hervor. Nach dem Beethoven-Fest von 1927 wurde alle zwei Jahre eine Beethoven-Festwoche durchgeführt. Nach Otto Volkmar trat Generalmusikdirektor Volker Wangenheim an seine Spjtze- .Das Orchester hat seinen Sitz in der 1959 neuerbauten Beethoven-Halle. Es wird sich in Wien mit zwei Beethoven-Programmen vorstellen.

Ein drittes Orchester aus Deutschland ist das Münchner Bach-Orchseter, das unter Karl Richter alle sechs Brandenburgischen Konzerte spielen wird.

Unsere östlichen Nachbarn sind durch die Ungarische National-Philharmonie vertreten, welche 1923 als Orchester der Stadt Budapest unter Somogy und Fricsay reorganisiert und seit 1952 von Janos Ferencsik geleitet wird, der in Wien Werke von Haydn, Bartok und Kodaly auf das Programm seines Konzertes gesetzt hat.

Wir sagten eingangs, daß das Musikfest der Gesellschaft der Musikfreunde eine Orchester-, Dirigenten- und Solistenparade ist. Nennen wir von den letzteren außer den bereits erwähnten in der Reihenfolge ihres Auftretens: Jörg Demus, Natalja Zertsalowa, Irmgard Seefried, Anton Dermota, Ernst Schramm, Wolfgang Schneiderhan, Maurice André, Margareta Lilowa, Teresa Stich-Ran- dall, Aurèle Nicolet, Inger Wikström, Ricardo Odnoposoff, Stefan Askenase, Denis Kovacs, Wilma Lipp, Hermann Prey, Shura Cher- kassky, Hans Kann, Alexander Jenner, Walter Klien, Friedrich Gulda, Alfred Brendel, Josef Sivo, Maureen Forrester, Peter Schreier und Martti Talvela.

Nachdem wir die ständigen Dirigenten der Gastensembles bereits genannt haben, bleiben noch die folgenden Dirigenten zu erwähnen: George Szell, Josef Krips, Zubin Mehta, Claudio Abbado, Seiji Ozawa und Günther Theuring. — Die vornehmlich konservativen, aus Meisterwerken bestehenden Programme, in die nur etwa ein Dutzend neuerer Kompositionen eingestreut sind — auch bei ihnen handelte es sich um Meisterwerke —, können der Zustimmung eines breiten Publikums sicher sein. Für die Qualität der Darbietungen bürgt der Name des Organisators und Betreuers dieser 36 Konzerte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung