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Musik in Salzburg

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Als Mozart-Stadt ist und bleibt Salzburg ein Schnittpunkt des europäischen Musikgedankens. Es ist von dieser Stelle aus schon mehrmals darauf hingewiesen worden, daß gerade das Mozarteum, die traditionelle und 'weltbekannte Pflegestätte der Musik, eine künstlerische Leitung erfordert, die, unbeeinflußt von parteilichen Interessen und frei von bürokratischen Hemmungen, ihre Aufbauarbeit durchführen kann. Hofrat Dr. Bernhard Paumgartner, der nach Beendigung seiner musikwissenschaftlichen Arbeiten in der Schweiz sich wieder als Generalintendant ganz der Führung des in vielen Stellen bedenklich gelockerten Gefüges der Musikstätte widmen wird, bedarf der Unterstützung aller an der Kunstentwicklung Salzburgs interessierten Stellen. Zielbewußt und von Idealismus getragen, hat Hofrat Dr. Paumgartner in seiner zwanzigjährigen Tätigkeit bis zum Jahre 1938 die Schule des Mozarteums zu einem ersten Musikerziehungsinstitut gestaltet, zugleich ein Orchester, das ohne jede staatliche Unterstützung sich selbst erhielt, zu einem Klangkörper erzogen, der in der Welt neben den berühmtesten Orchestern genannt wurde. Heute steht er wieder am Anfang, aber sein jugendlicher Idealismus ist nicht gebrochen und sein Aufbauwille unerschütterlich. Zunächst läßt er die von 1929 bis 1938 gepflogene Einrichtung der Salzburger internationalen Sommerkurse während de; diesjährigen Festspiele wieder aufleben. Wie einst wtrden anerkannte Meister Österreichs und de; Auslandes theoretische und musikgeschichtliche Vorlesungen halten und die Hörer Gelegenheit haben, durch Gastvorlesungen mit den Festspieldirigenten und -regisseuren in Verbindung zu treten. Es seien erwähnt die Dirigentenkurse, die die Professoren Dr. Otto Klemperer (USA), Dr. Hans Knappertsbusch (München), Francis Findlay (USA), Hermann von Schmeidel und Dr. Egon Kornauth (Salzburg) leiten; operndramatische Darstellung unterrichtet Hofrat Dr. Lothar Wallerstein, musikgeschichtliche Kurse halten Hofrat -Dr. Paumgartner und Rodolpho Felicani (Schweiz). In einer dreitägigen Vortragsreihe mit praktischen Arbeiten spricht Paul Hindemith über das Thema „Probleme der Musiktheorie“. Kurse für Violine, Cello, Orgel, Cembalo, Gesang Tanz sowie Sprecherziehung und Vorträge über Maske, Kostüm und Bühnenbild (Professor Emil Pirchan, Wien) vervollständigen das reichhaltige Progfamm dieser Sommerakademie.

Die Musikhochschule des Mozarteums bot in den letzten Wochen einige Konzerte, die durch ihre Reife und das sorgfältig ausgearbeitete Programm Erwähnung verdienen. Ein Orchesterkonzert, dem Schutzpatron des Hauses gewidmet, erwies, daß das Hochschulorchester mit Selbstzucht und Sachlichkeit des Dienens die Stilform Mozarts richtig zu behandeln versteht. Ein anderer Abend der

Musikhochschule brachte ein Konzert der preisgekrönten jungen Geigerin aus Rom, Pina Carmirelli, die mit gereifter Technik die Sonate in e-moll von J. S. Bach spielte. Noch fehlt ihr in der Bogenführung die Gelöstheit, und das südliche Temperament durchbricht cfle klare Melodik, jedoch kommt eine außergewöhnlich starke Begabung zum Ausdruck, die auch die wuchtige Sonate in c-moll von Bach voll ausschöpft.

Bald traurig, wie das Lied der weiten Steppe, bald überschäumend vor Lustigkeit, farbig, derb und erdhaft, ist die russische Musik, soweit sie nicht durch fremde Importen westlich beeinflußt ist. Diese nationale Eigenschaft prägt sich in der- „Leningrader Symphonie“ von D. Schostakowitsch trotz ihrer neuen Sachlichkeit aus; dagegen ist seine „Neunte“, die das Mozarteumorchester unter Paul Walters Leitung spielte, stark von westeuropäischen Einflüssen beherrscht. Effekte, an denen das Herz unbeteiligt bleibt, und Töne bloßen Prunkes mit blendenden Einfällen lassen sie wesensferner erseinen als die übrigen Werke des russischen Komponisten. Konzentration und äußerste Hingabe zeichneten den Dirigenten sowie das Orchester aus, die auch die lebendige Wirkung der c-moll-Symphonie von P. J. Tschaikowsky, bei der durch eine romantisch-reizsame. Überbetonung des russischen Temperaments ein eigentümlicher Kontrast erreicht wird, voll zur Geltung brachten.

Zum Höhepunkt der Konzertsaison gestaltete sich das Musizieren des Mozarteum-orchsters mit Clemens Krauß. Die souveräne Führung rief bei dem Orchester eine Klangwirkung hervor, die es seit seinem Bestehen noch nicht erreicht hat. Männlich und kraftvoll stürmte das Allegro der Jupitersymphonie von W. A . Mozart auf den Zuhörer ein, das Andante mit ungewöhnlich breit genommenen Tempi erinnerte in nichts mehr an Rokokoidylle, Frische kennzeichnete das Menuett und mit elastischem Schwung klang das Molto-Allegro aus. Bei Beethovens „Eroica“ spannte sich der Bogen von dem dunklen Pochmotiv bis zum Erstrahlen des Presto-Finales in voller Wucht und Schönheit.

Um so stärker enttäuschte das Gastspiel der Wiener Symphoniker unter dem Dirigenten Hans Swarowsky. Mit harter, eigenwilliger Zeichengebung jagte er die Egmont-Ouvertüre von Beethoven in eine sinnlose Übersteigerung, und Brahms 2. Symphonie büßte allen Glanz ihrer herrlichen, freundlichen Farben durch ungewohnte Tempi und derbe Anlage ein. Dem musikalischen Einfallsreichtum der Symphonie von Hindemith, „Mathis der Maler“, Bruchstücke aus der gleichnamigen Oper, ist Swarowsky näher gekommen, obwohl es auch hier etwas gegeräuschvoller zuging, als die Partitur vermuten läßt. Die technische Qualität des Orchesters .wie die Brillanz der einzelnen In-strumentalisten ahnte der Zuhörer trotzdem. Swarowsky bot am zweiten Abend Musik von Johann Strauß. Der unsterbliche Wiener Walzer rauschte unter seiner Stabführung nicht wie prickelnder Champagner auf, sein einzigartiger Charme ging in der lauten und wenig sensiblen Wiedergabe unter.

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