6705604-1963_50_15.jpg
Digital In Arbeit

Symphonie, Quartett und Lieder

Werbung
Werbung
Werbung

Günther Wich hat für das 3. Konzert des Zyklus der Konzerthausgesellschaft ein Programm gewählt, dessen „Popularität” für den Dirigenten ein großes Wagnis bedeuten kann: Bei der Interpretation von Franz Schuberts Achter Symphonie, der „Unvollendeten”, hatte der junge Hannoveraner Generalmusikdirektor eine ungemein heikle Aufgabe zu lösen. Wich bewies jedoch, daß er für die musikalische Romantik das rechte Ohr und das rechte Herz besitzt. Bruckner allerdings stellte den Dirigenten vor größere Schwierigkeiten. Seine Fünfte Symphonie, in der ursprünglichen Fassung gespielt, bringt kontrapunktische Probleme, die mancher Dirigent durch allzu breite Tempi zu lösen versucht. Dieser Versuchung erlag Wich freilich nicht, doch fehlte noch manches, was das monumentale Werk vor dem Zerbröckeln bewahrt hätte. Immerhin, Günther Wich hat bereits einen gewissen Namen als Bruckner-Dirigent zu verteidigen. Diesmal gelang ihm dies nicht ganz. Die Wiener Symphoniker spielten präzise und klangschön, das Blech zeigte begreifliche Ermüdungserscheinungen.

H. F. M.

Im Furtwängler-Gedächtniskonzert der Philharmoniker wurde das Andenken des großen Dirigenten durch eine Aufführung der Achten Symphonie von Bruckner unter Leitung von Carl Schuricht begangen. Äußerlich gebrechlich, entfaltete Schuricht in der Interpretation deä Riesenwerkes eine Spannkraft und einen Elan, um die ihn eine ganze Dirigentengeneration beneiden könnte. Mit sparsamsten Gesten, die nichtsdestoweniger von innerer Bewegung zeugten, inspirierte er das in souveränem Zusammenspiel musizierende Orchester zu immer neuen Höhepunkten; sei es der Versunkenheit oder des kämpferischen Feuers, der bäuerlichen Breite oder des einsamen geistigen Höhenweges. Das seinerzeit unerhört „moderne” Werk hat sich die Liebe des Publikums längst erobert und ist zu einem Besitz geworden, an dem man sich in solch idealen Wiedergaben immer vom neuen erbaut.

Das Weller-Quartett stellte im ersten Teil eines Abends zwei zeitgenössische Kammermusikwerke gegeneinander: das 2. Streichquartett von Emst Vogel und das 8. Streichquartett von Dimitri Scho- stakowitsch (op. 110). Es ist nicht zu leugnen, daß der Russe das urtümliche Musikantentum dem Österreicher voraus hat (und damit auch die unmittelbarere Wirkung), doch sind geistige Züge, die sich im fein verästelten thematischen Motivkreis spiegeln, im Quartett von Vogel nicht zu überhören, die sich allerdings selten zu einem klaren und ruhigen Klangbild vereinen, gleichsam einer Lichtung im Gestrüpp. Mit der hübschen und eindrucksvollen Wiedergabe des Streichquartetts c-Moll, op. 51/1, von Johannes Brahms endete der Abend für alle befriedigend, was er an seinem Beginn keineswegs war.

Barockmusik auf alten Instrumenten hörten wir von einem Ensemble für alte Musik, das unret dem Namen „Concen- tus musicus” bereits bekannt ist. Neben „Sonatas” der Italiener Bononcini. Le- grenzi und Vitali wurde aus der „Mensa sonora” des Österreichers Heinrich I. F.

Biber musiziert sowie (besonders eindrucksvoll) aus den Phantasien für Viola da Gamba des Engländers Henry Purcell. An diese Musik des 17. Jahrhunderts schloß sich die 1733 entstandene „Musique de Table” des Deutschen Georg Philipp Telemann. Dem tiefer Hineinhörenden offenbarten sich die nationalen Unterschiede der Barockmusik in unverkennbarer Weise, zumal die Ausführung der Kompositionen mit viel Liebe und Sachkenntnis geschah.

Morelia Munoz (Venezuela) sang, von Kurt Rapf ebenso nobel wie diskret begleitet, Lieder älterer und neuer italienischer, französischer und venezolanischer Komponisten, worunter die „Vocalizzo per addormentare una bambina” von Goffredo Petrassi am stärksten fesselte. Die Sängerin hatte allerdings bessere Beziehungen zu den Liedern ihrer Heimat von X. Montsalvatge und Antonio Estevez, sehr geringe dagegen zu Richard Strauss. Ihre schöne, dunkle Stimme ist noch nicht nuancenreich, klingt oft neben dem Text her. Man hätte ihr mehr heimatliche Lieder gewünscht, zumal sie bei uns unbekannt sind.

Auch Kim Borg diente an seinem Liederabend „Richard Strauss und seine Zeit” den Zeitgenossen Richard Strauss’ besser als diesem selbst. Konnte man sich an der feinen und lebendigen Interpretation der Gesänge von Maurice Ravel wirklich freuen, am Vortrag der Lieder von Sibelius und Kilpinen erbauen, die tief und voll tönende, gepflegte Stimme genießen, fehlte bei Strauss die Unmittelbarkeit, das Temperament, das Humorige, kurz, das Profil, der Schwung. Daran konnte auch die liebevolle Klavierbegleitung Erik Werbas nichts ändern. Man hielt sich also an die (den Schluß bildenden) Gesänge von Ravel und applaudierte mit vollem Recht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung