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Barockmusik und Virtuosen

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Barockmusik auf alten Instrumenten zu hören, hat etwas Bestechendes, besonders wenn es sich nicht so sehr um die Vorführung dieser Instrumente als um die Echtheit eines seither sehr vergröberten Klangbildes handelt, wie es bei der Abendmusik des Concentus Musicus der Fall war. Dieses von Alice Harnoncourt sehr taktvoll und elegant von der Geige aus geführte Ensemble hatte in der Tat bezaubernde Klänge auf der Palette, wenn auch nicht durchweg. Der Abend galt nur Werken von J. S. Bach und die vollkommenste Ausführung erfuhr die „Ouvertüre für Traversiere, 2 Violini, Viola und Basso h-Moll, BWV 1067“, deren sieben Sätze in ihrer rhythmisch kontrastierenden Folge und klanglichen Differenzierung etwas Erregendes an sich hatten und barockes Musikerleben ohne Kerzenschimmer und Allongeperücken vermittelten. Weniger gelang das „Concerto in C- Dur für 2 Cembali, 2 Violini, Viola und Basso“, BWV 1061, deren beide Cembali allzu gleichartig behandelt waren und daher in einer einzigen Klangwolke schwebten. Trotzdem war es, ergänzt von der „Ouvertüre für 2 Hautbois, 2 Violini, Viola, Fagotto con Cembalo“ und der „Sonata in G-Dur für Flauto traverso, Violino discordato und Basso continue“ (BWV 1066 und 1038) ein richtiger Abend für Kenner und Liebhaber, als die sich die gesamte Zuhörerschaft erwies.

Wiener Jeunesse-Chor und Tonkünstlerorchester unter Günther Theuring mit Olivera Miljakovic, Pari Samar, Maurice Besanęon. Hans Strohbauer und Frans Pacher als Solisten musizierten Händels Dettinger Tedeum und Mozarts „Re quiem“. Im ersteren Werk, das durch ge schickte Kürzungen vorteilhaft gestrafft war, baute sich Händelsche Größe und Großartigkeit durch die prachtvolle Lei stung des Chores vor allem überzeugend und überwältigend auf, unterstützt vor den klanglich wirkungsvoll gesetzten Or geleinsätzen (Dr. Josef Böck) und der virtuosen Leistungen der Solotrompett (Helmut Wöbisch). Am — meist allzt dünn dosierten — Cembalo wirkte Otti M. Zykan. Die diffizilere und dynamisch weit anspruchsvollere Leistung war Mo zarts „Requiem“. Auch hier ist die prä

zise und disziplinierte Leistung des Chores an der Spitze zu nennen. Die Solisten wirkten als Quartett besser als im einzelnen. Im Orchester waren die Bläser den Streichern überlegen. Der (ungenannte) Posaunist des „Tuba minim“ verdient ein Separatlob. Nicht weniger der Dirigent, der mehr als eine stilistisch schöne Wiedergabe gestaltete; der mit seiner Auffassung auch menschlich durchdrang und eine erhebende und an die Herzen rührende Ausführung erreichte.

Shura Cherkasskys fulminantes Klavierspiel verstand wie immer zu fesseln. Sein stets bewundertes handwerkliches, im besten Sinne virtuoses Spiel, das mit der Gewalt eines Katerakts dahinstürmt, wurde bei Beethovens „Appassionata“ zu einem Ringen mit dem Genius, dem die menschliche Wärme nicht fehlte. Ein wenig mehr davon, und der Kampf wäre siegreich ausgegangen. Auf der gleichen Höhe war seine Wiedergabe der Fantasie von Chopin (f-Moll, op. 49). Händels „Aria, Variationen und Presto aus der Suite Nr. 3“ blieben allerdings blaß, während die Fantasie fis-Moll, op. 28 von Mendelssohn-Bartholdy wie ein liebenswürdiges Zwischenspiel wirkte, zumal die folgenden und den Abend beschließenden „Trois Mouvements de Pätrouchka“ von Igor Strawinsky, vom Komponisten selbst für Klavier gesetzt, den Interpreten in seiner vollen Meisterschaft zeigten. Die ungeahnten technischen Schwierigkeiten, die Plastik der formalen Nachgestaltung mit ihren farbigen und rhythmischen Kontrasten, das alles ist einmalig in der technischen und profiliert in der künstlerischen Arbeit, und verdiente unbestritten den begeisterten Beifall. Franz Krieg

Auch heuer stellte sich im Großen Musikvereinssaal der 70jährige Mischa Elman, am Flügel begleitet von Joseph Seiger, dem Wiener Konzertpublikum vor. Das Programm reichte von Händel (die Sonate Nr. 2 in E-Dur war das pointiert vorgetragene „Einspielstück“) über Bach (Chaconne aus der Partita in d-Moll) bis zu typischen Salonstücken von Francoeur Kreisler, Wieniawski (Polonaise) und machte auch vor einer Bearbeitung des Nocturnes op. 27 2 von Chopin nicht halt. Aus diesem Grunde kam der erwartungsvolle Zuhörer trotz des vor allem in der Mittellage seidenweichen, dunklen und aus ruhigem Bogen reich verströmenden Tones nicht ganz auf seine Rechnung. Selbst die anspruchsvollen Werke, so die „Regensonate“ op. 78 von Johannes Brahms, deren dritter Satz vielleicht den künstlerischen Höhepunkt des Abends bildete, oder die berühmte „Symphonie Es- pagnole“ Lalos mit ihren Flamenco-Anklängen zerbrachen an der Programmauswahl. Die Chaconne Bachs fiel vollends aus diesem Rahmen?Def Begleiter fand selten aus seiner Routine heraus, nichtsdestoweniger applaudierte das Publikum anhaltend — vielleicht auch aus Routine.

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