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Neu erlebte Passion

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Am Beginn der Karwoche stand Is großer dunkler Akkord das Oratorium „Golgotha“ von Frank Martini. Es war die erste Aufführung des Werkes in den Philharmonischen Konzerten, Dirigent war der herzlich begrüßte Komponist selbst, die Wiedergabe daher authentisch im höchsten Grad. Frank Martin zeichnet auch verantwortlich für den Text, der die Leidensgeschichte nicht wie in den altbekannten Passionen allein nach einem Evangelisten erzählt, sondern eine Auswahl aus allen vier Evangelien ist, die der Komponist selbst besorgt und mit betrachtenden Worten aus den „Bekenntnissen“ des Augustinus zusammengestellt hat.

Die Qualität der Darbietung im Großen Musikvereinssaal war durch die Prominenz der Ausführenden gesichert. (Orchester der Philharmoniker, Chor des Singvereins, Hilde Güden [Sopran], Hilde Rös-sel-Majdan [Alt], Peter Baillie [Tenor], Tugomir Franc [Bariton], Otto Wiener [Baß] und Josef Nebois an der Orgel.) Obgleich das Werk zwei Jahrzehnte alt ist und wir seither ganz andere musikalische Experimente und Kombinationen erlebten, ist doch der religiösen Gedanken- und Gefühlswelt des modernen Menschen hier ein gültiger, über die Zeit hinauswirkender Ausdruck verliehen. Keine Kirchenmusik im engeren Sinne wie die älteren Passionsmusiken. Entbehrt sie daher auch der Volkschoräle und somit der Stellen breitester Ausströmung (und formaler Ruhepunkte), wirkt sie doch, von einigen Längen abgesehen, durch die Intensität der Textgestaltung in der Musik überaus direkt und reißt den Hörer mit. Der Komponist dirigierte mit fast jugendlichem Elan seine willigen Helfer und brachte sie zu hoher einheitlicher Leistung, die allerdings bei zusätzlichen Proben noch, gewonnen hätte. Als besonders erfreulich und angemessen sollen noch die kommentierenden Worte von Univ.-Prof. Leopold Novak erwähnt werden, der im Programmheft die einzelnen Teile des Oratoriums einleitete und verband. Der Eindruck, den dieses Oratorium bei den Hörern hinterließ, war groß und tief und dürfte dem Werk einen dauernden Platz unter den Passionsmusiken sichern.

Anton Dvofäks 9. Symphonie „Aus der Neuen Welt“, op. 95 (gewöhnlich und fälschlich als „Fünfte“ bezeichnet), war das Hauptwerk des 6. Konzertes im Dvofak-Zyklus. (Symphoniker unter Zdenek Kosler.) Es war richtig, dieses Stück an den Schluß des Programms zu setzen. Die vorangehende 4. Symphonie, Op. 13, fällt in den vorausgeworfenen Schatten der großen Schwester. Außer einigen Stellen ist in ihr wenig von der Persönlichkeit des Komponisten zu merken. Den Beginn machte die Ouvertüre „Othello“, eigentlich das dritte Stück des Triptychons „Natur, Leben und Liebe“; sie stellt das Dämonische der Liebe dar. Sie ist echter, später Dvorak; dennoch ohne den mitreißenden und gefühlstiefen Duktus der amerikanischen Symphonie, die trotz ■ allem nationale tschechische Musik bleibt, worin ihre untergründige Kraft liegt. Ihr gehörte auch die Liebe der Ausführenden (und der Zuhörer) im stärksten Maße. *

Ein gutes Konzert des Tonkünstlerorchesters dirigierte Heinz Wallberg. Diesmal standen BeetHovens Klavierkonzert c-Moll, op. 37, und Anton Bruckners 9. Symphonie d-Moll auf dem Programm. Bei Beethoven begleitete das Orchester brillant die junge Solistin Lois Carole Pachucki, die ihren Part mutig und klug anpackte, allerdings trotz blitzsauberem Spiel nicht gleichmäßig durchhielt. Gestochene Klarheit wechselte mit kraftmeierndem Ungestüm. Die Leistung des Orchesters ist auch bei Bruckners 9. Symphonie durchaus anerkennenswert, die bildnerische Arbeit des Dirigenten ist von Mal zu Mal spürbar. Trotzdem schien uns diesmal eine Überforderung den Aufstieg über den Durchschnitt zu verhindern.

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