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Mahler und Strawinsky

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Im 6. Konzert des Internationalen Orchester- und Chorzyklus führte unter der Leitung von Vaclav N e u m a n n ein aus fast 200 Mitgliedern bestehendes Prager Ensemble im Großen Musikvereinssaal Gustav M a h 1 c r s 3. Symphonie auf.

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Im 6. Konzert des Internationalen Orchester- und Chorzyklus führte unter der Leitung von Vaclav N e u m a n n ein aus fast 200 Mitgliedern bestehendes Prager Ensemble im Großen Musikvereinssaal Gustav M a h 1 c r s 3. Symphonie auf.

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Das noch vor der Jahrhundertwende entstandene Riesenwerk, welches 1902 im Rahmen eines Tonkünstlerfestes des Allgemeinen Deutschen Musikvereins unter Mahlers Leitung zum erstenmal erklang, ist an dieser Stelle wiederholt besprochen worden. — Obwohl Neumann, Jahrgang 1920, nicht mehr direkt an der großen Mahler-Tradition teilhat, bemerkt man vom ersten Takt an sein echtes und unmittelbares Verhältnis zu dieser Musik. vUnter seiner Leitung wurden übrigens auch die wahrscheinlich besten Aufnahmen der V. und der VI. Mahler-Symphonie produziert.) Mit den Prager Philharmonikern, dem Prager Philharmonischen Frauen- und Kinderchor hatte. Neumann das große und schwierige Werk vorbildlich einstudiert und zu maximaler Wirkung gebracht. Das Altsolo des 4. Satzes auf Nietzsches Nachtlied („O Mensch, gib acht!“) sang Vera Soukupovd mit schöntimbrierter Altstimme und ergreifendem Ausdruck. Von auffallender Homogenität war der Frauenchor, der sich mit den 35 Kindern (Buben und Mädeln) am Ende des 5. Satzes zum fröhlichen Lobgesang auf die himmlischen Freuden verten Orchester und Dirigent mit dem ausgedehnten Schlußsatz. Er wurde nicht nur, wie Mahler vorschreibt, „langsam“, sondern auch „ruhevoll“ und mit großer Intensität und Klangschönheit gespielt. — Dank gebührt dem Dirigenten und den Veranstaltern, daß sie auch Mahlers Wunsch respektiert haben und zwischen dem mehr als eine halbe Stunde dauernden 1. Satz und den übrigen fünf Teilen eine längere Pause eingeschaltet haben. — Allen Ausführenden dankte das Publikum mit überaus herzlichem und langanhaltendem Beifall.

Das 6. Abonnementkonzert der Philharmoniker dirigierte Claudio Ab-bado. Er wählte ein seiner Jugend entsprechendes unkonventionelles Programm: Eine Kantate von Bach und Strawinskys Psalmen-Symphonie für gemischten Chor und Orchester von 1930, ein Meisterwerk unseres Jahrhunderts, bildeten den 1. Teil, Bruckners Symphonie Nr. 1 (eigentlich seine dritte) in der ursprünglichen Linzer Fassung von 1866, das Werk also des Zweiundvierzigjähri-gen, den 2. Teil. — Unter den 300 Kantaten, die J. S. Bach nach seinem Amtsantritt als Leipziger Thomaskantor für die Gottesdienste zu schreiben begann, findet man Werke verschiedenster Art und Wertigkeit. Die Nummer 169, „Gott soll allem mein Herze haben“, für eine Altstimme, Orgel, Chor und Orchester gehört nicht zu den stärksten. Aber nicht etwa deshalb, weil sowohl die einleitende „Sinfonia“' sowie die größte Arie („Stirb in mir...') aus Bachs Klavierkonzert in Es stammen, sondern aus künstlerischen Gründen, die hier zu erörtern ein wenig weitab führen würde. Jedenfalls zeigt ihre Wahl eine geringe Vertrautheit mit dem BWV. Das ziemlich umfangreiche Altsolo sang überaus klangschön Christa Ludwig; der Orgelpart war bei Anton Heiller in den besten Händen. Der mitwirkende Jeunesse-Chor hatte hier nur eine Choralstrophe zu singen, aber Strawinskys Psalmen-Symphonie kamen die jungen Stimmen sehr zugute. — Erstaunlich, wie gut dem jungen Italiener Bruckners Erste gelang. Die Wiedergabe hatte Kraft, Glanz und jenen großen Atem, den alle Werke Bruckners brauchen, um ihr volles Leben zu entfalten. Wieder einmal erwiesen sich die Philharmoniker als unvergleichliche Bruckner-Interpreten.

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