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Bruckner - jedesmal anders

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In dem Konzert am vergangenen Donnerstag konnte man sich gleich an den Leistungen dreier Stars erfreuen: Maurizio Pollini war der Solist des a-Moll-Klaviarkonzertes von Schumann. Über ihn ist an dieser Stelle bereits alles Positive gesagt worden, was man einem Pianisten nachrühmen kann. Er ist ein perfekter Techniker, ein glänzender Virtuose, hat Feuer und Temperament und verfügt über eine reiche Palette, was den Anschlag betrifft. Er blieb seinem Solopart wirklich nichts schuldig. — Daß Carlo Maria Giulini, der mindestens um zehn Jahre jünger aussieht, als er in Wirklichkeit ist, einen Glücksfall für die Symphoniker bedeutet, haben wir von allem Anfang an, als er zum Chefdrigenten der Wiener Symphoniker bestimmt wurde, gesagt. Als er aber ohne Partitur aufs Podium kam, um die 2. Symphonie von Bruckner zu dirigieren, waren wir auf einen Ritt über den Bodensee gefaßt. Denn unseres Wissens hat das Orchester dieses Werk, das nicht ganz so gelungen und originell ist wie seine Vorgänger und jüngeren Geschwister, während der letzten zwanzig Jahre in Wien nicht gespielt. Aber Giulini scheint es in seinem Repertoire zu haben und besonders zu lieben. Jedenfalls gab es so gut wie keine (und nur kaum merkbare) Unsicherheiten, was erweist, daß Giulini diese Partitur Takt für Takt auch im Kopf hat. Trotzdem gebührt ein nicht geringeres Lob dem Orchester der Wiener Symphoniker, die präzise und klangschön, das wohlstudierte Werk spielten, als handelte es sich um die „Vierte“ oder „Fünfte“. Womit wir zu unserer eingangs aufgestellten Behauptung zurückkehren, daß dieses Konzert drei echte Stars hatte. Das Publikum wußte ihre Leistungen zu würdigen. H.A. F.

Eugen Jochums Musizieren beruht nach alter Tradition vor allem auf

der Spannung zwischen Diskant und Baß; die Mittelstimmen sorgen dabei für den ausgewogenen Klang. Im Musikverein war es aber darüber hinaus die Intensität, die Brücknern „Siebente“ zu einem wahren Festkonzert machte. Breit ausströmende Melodik (unübertrefflich schön besonders bei den Violinen!), richtige Relation und Länge der kleinen und kleinsten Pausen, die in der Wiedergabe der Werke des genialen Rhapsodikers so wichtig sind, die innere Ruhe bei der gleichzeitigen Fähigkeit Jochums, die vielen Steigerungen folgerichtig aufzubauen und dem absoluten Höhepunkt zuzuordnen: all das führte zum beglük-kenden Triumph des „alten“ Bruckner-Bildes.

Auch ein Spitzenorchester vermag nicht über seinen Dirigenten emporzuwachsen; an diese (alte) Weisheit wurde man durch den schwedischen Dirigenten Herbert Blomstedt erinnert, der Nachfolger Jochums im Großen Musikvereinssaal war und die Dresdner Staatskapelle bei Mozarts „Jupiter-Symphonie“ und der Dritten Symphonie von Bruckner führte. Er tat es mit gemessenen, fast feierlichen Bewegungen und fast durchweg entsprechend behäbigen Zeknaßen; viel zu dem Eindruck von Langsamkeit trug allerdings das an innerer Spannung so arme Musizieren bei. Mozart erklang auf diese Weise zwar sauber studiert, jedoch lust- und glanzlos, und Bruckner wurde durch die Art, dieses Werk anzupacken, gewissermaßen in der Substanz geschädigt: die Steigerungen wirkten äußerlich, jeder neue Ansatz stand für sich allein, und zumindest vom Stirnsatz muß man sagen, daß sein riesiger Formbau zerbröckelte. Der homogene Klang des Orchesters bot dafür leider keine volle Entschädigung.

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