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Abbado, Stein, Macai

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Maurizio Pollini war das Ereignis des 2. Sonntagvormittagkonzerts der Wiener Philharmoniker im Schubert-Zyklus: ein ungemein sensibler junger Künstler, der Bartöks Rubati und motorische Entladungen im 2. Klavierkonzert mit stupender Perfektion und Ausdruckskraft spielt. Allerdings ohne diese rasanten Passagen wie so mancher Tastentiger in den Flügel zu hämmern! Das macht den ungewöhnlichen Reiz seines Spiels aus: auch für einen Fortissimogang hat er noch zahlreiche Valeurs anzufbieten, in jede Passage aus Presto-iSechizehnteln legt er noch etwas sehr Persönliches hinein, ohne dadurch der fulminanten Interpretation an Glanz und klanglicher Entfaltung etwas zu nehmen. Claudio Abbado dirigierte Schuberts „.Unvollendete“ und die B-Dur-Symphonie (Nr. 5). Unverständlich bleibt, warum die harmlos-leichte „Fünfte“ gerade nach der Pause! Sonst: zwei gutausgewogene Wiedergaben; besonders schön in den Andantesätzen. Die Philharmoniker waren mit Ausnahme von ein paar Bläsern schon hörbar auf ihren neuen Hauptdirigenten Abbado eingestellt.

Bereits zwei Konzerte absolvierten die Wiener Symphoniker im Brahms-Zyklus: Wenig erfreulich das unter Horst Stein, wo sich das Orchester merkwürdig strapaziert, ja übermüdet zeigte. Vor allem Brahms’ c-Moll-Symphonie, obwohl von Stąjn mijį ungeheurem Aufwand an persönlicher Dynamik uhd ausladender, dMrdeüfliclier Zeichengebung dirigiert, wollte nicht recht rund gelingen. Besonders die Steigerungen des ersten Satzes wirkten künstlich hochgeputscht, es mangelte an wchlaustarierten Übergängen und feineren Nuancen. Nathan Milstein geigte das D-Dur-Konzert: Elan ist nicht mehr seine Stärke. Zwar merkt man vom ersten Takt an, daß da ein Souverän sein Konzept verwirklicht und eine klarlinige, perfekt ausgefeilte Darstellung der schwierigen Figurationen und Ornamentierungen bietet. Aber Glanz und Brio, überhaupt die typische Müstein- Mischung von Bravour und Verinnerlichung, scheinen einer schwerblütigen Zurückhaltung gewichen.

Überzeugender geriet das Konzert unter Zdenek Macai, der einmal mehr nacbwies, daß er ein hochbegabter junger Musiker ist, der sich und sein Temperament nur erst einmal richtig im Zaum halten muß. Dementsprechend gerieten die „Tragische Ouvertüre“ und die „Haydn“- Variationen: Rund in der Phrasierung, sehr dynamisch und in den Tempi gut ausgewogen.

Alfred Brendel spielte Brahms: d-Moll-Klavierkonzert. Er kennt und liebt dieses Werk seit vielen Jahren. Seine Interpretation ist das Ergebnis eines langen Reifungsprozesses. Das heißt, Brendel hat jedes Detail dieses symphonischen Riesenopus lange studiert, er weiß, was in dieser Wiedergabe Eigenleben entfalten darf und was ins große Gefüge fest eingebunden werden muß. Und er hat den Atem, das fast schon überspannte Adagio gleichsam noch weiter zu dehnen und dein Rondosatz in seiner zitternden Nervosität fulminant zu gestalten.

Unverständlich, daß die „Kontrapunkte“ in ihrem Kammerkonzert im Schubert-Zyklus des Meisters ausladendes F-Dur-Oktett (D 803) mit Mozarts riesiger B-Dur-Sere- nade für 13 Bläser zu einem Programm koppelten. Ein Werk hob da gewissermaßen den Reiz des andern auf. Abgesehen davon, daß eine solche Beanspruchung der Musiker auch auf die Qualität des Gebotenen wirken muß. Schuberts Werk klang denn auch kaum ausgewogen, Kontraste wurden zu wenige herausgearbeitet, an Präzision mangelte es häufig. Eine volle Entschädigung bot allerdings die Aufführung des Mozart-Opus: Spielte das Ensemble Schubert natürlich ohne Dirigenten, so leitete Peter Keuschnig die Bläserserenade. Das ‘allein gerantierte bereits Akkuratesse. Keuschnig versteht es, Mozart genauso überzeugend aufzuführen wie jedes moderne Werk: Es war eine sehr behutsam gestaltete, frische Wiedergabe, wohl überlegt in der Wahl der Tempi sowie in Agogik und Dynamik. Man spürte, daß Keuschnig zu musizieren versteht: Adagiosätze läßt er voll ausschwingen, wie er Allegretti vorbeitollen läßt. Höhepunkt: das prik- kelnde Rondofinale, das die schönste Musik zu einer Zauberposse ergäbe.

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