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Konzertbravour
In musikalischer Höchststimmung präsentierten die Wiener Philharmoniker im 4. Abonnementkonzert im Musikverein Mozarts B-Dur- Symphonie (K. V. 319), die „Erste“ in c-Moll (op. 68) von Brahms und Strawinskys Suite „Der Feuervogel“. Karl Böhm dirigierte sehr temperamentvoll (wie selten!), sorgte für behutsam pointierte, ktangfrische Wiedergaben, setzte bei Mozart, dessen Symphonie er klarlinig, in herrlicher tänzerischer Leichtigkeit realisierte, behutsam Glanzlichter. Brahms’ „Erste“ atmete tragische Größe, geriet randvoll mit dramatischer Erregung, großzügig aufgebaut in den breit angelegten Steigerungen und voll ausgekosteten, dunkelleuchtenden Höhepunkten. Glanzstück des Konzerts war die Wiedergabe von Strawinskys Werk: Die Philharmoniker ließen es in den Streichern mächtig aufrauschen, setzten funkelnde Blechakzente.
Der knapp 30jährige chilenische Dirigent Juan Pablo Izquierdo, der unter anderem Leiter des New York Philharmonie Orchestra und des Residenz Orchesters Den Haag war, absolvierte sein Wiener Debüt mit den Symphonikern im 3. Konzert des Zyklus „Die Große Symphonie“. Izquierdo ist ein sehr temperamentvoller junger Künstler, mit ausge prägtem Sinn für klangliche Brillanz, blank polierte Effekt, für koloristische Valeurs und prickelnde Rhythmen. Vor allem, er weiß monumentale Großformen imponierend aufzubauen, Kontraste kühn und überzeugend einzusetzen; ohne daß seine Interpretationen im Äußerlichen, Dekorativen steckenblieben. Die Wiedergabe von Gustav Mahlers „Erster“ (D-Dur) geriet mustergültig, ausgewogen im Formalen, plastisch in der Entwicklung thematischer Bezüge. Sehr überzeugend, wie er etwa das bäuerliche Fest des 2. Satzes in rustikal-sinnlicher Derbheit vorbeiziehen und im Trio Zwiesprache des Menschen mit der Natur einfließen läßt; oder wie er den 3. und 4. Satz zu einem Bild von der Einheit von Natur und Mensch gestaltet. Schönbergs 1. Kammersymphonie (op. 9) geriet sachlich, sehr ökonomisch, dicht. Eine wohlgefeilte Aufführung, die sich hören lassen konnte. Edith Peinemann geigte Mendelssohns c-Moll-Violinkonzert (op. 64) mit geschmeidigem, singendem Ton sehr virtuos.
Karl Richter spielte auf der Orgel des Großen Musikvereinssaals Werke von Bach: hektisch bravourös, sehr auf Effekte und äußeren Glanz bedacht. Warum er — wie in der G-Dur-Phantasie (BWV 572) — derartig grell und ungezügelt, nervös registriert, selbst lockere Stimmgeflechte durch schrille Nuancen in Unruhe versetzt, ist unverständlich. Nur zu oft vernachlässigt er Transparenz und Klarheit des Linienspiels zugunsten pathetischer Kontrastmalerei. Vor allem stören aber auch rhythmische Unexaktheiten, die den Stimmenfluß immer wieder unterbrechen, oder virtuoses Nuancenspiel, des harmonische Zusammenhänge nur zu leicht verdeckt. Unverständlich auch, mit welch romantisch-theatralischem Impetus er Lentement- und Gravement-Sätze verzerrt. Die c-Moll-Passacaglia (BWV 582) bedarf durchaus keiner pompösen Aufmachung, um den Zuhörer zu überzeugen. Ruhiger und ausgeglichener, wenn auch etwas zähflüssig, wirkten die Partite diverse sopra „O Gott, du frommer Gott“ (BWV 767), am überzeugendsten die Fugen(BWV532, 538). Das Publikum jubelte wie immer.
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