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Klassik und Moderne

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Zubin Mehta dirigierte im zweiten „Philharmonischen“ im Musikverein ein Programm, das für ihn nicht gerade maßgeschneidert war: Vor allem Igor Strawinskys „Saere du Prin- temps“ wurde unter seinem impulsiven, hart konturierenden Zugriff zu einer donnernden Orgie, in der peitschende Rhythmen und blank- polierte Nuancen die Atmosphäre charakterisierten und alle Details gleichsam auf die monumentalen Eruptionen zustrebten. Gewiß, die Philharmoniker folgten Mehtas forcierten Tempi mit höchster Akkuratesse, sorgten dafür, daß die koloristischen Valeurs blitzten und sich in theatralischen Aufstauungen entluden. Dennoch, die weise Korrektur, die Strawinsky einst einem außer Rand und Band geratendem Dirigenten zurief: „Plus mozartien!“, vermißte man bei diesem „Sacre“. Ebenso das Herausarbeiten der stellenweise kammermusikalischen Faktur und die Akzentuierung so vieler wichtiger Details. Im Gesamteindruck imponierte die Aüfführung. — Mozarts Sinfonia concertante in Es-Dur (KV. 297 b) eröffnete das Konzert: nobel, ganz auf Wohllaut, sehr kultiviert musiziert,

Eine funkelnde, überaus amüsante Wiedergabe von Beethovens 1. Klavierkonzert (op. 15) bescherte im Musikverein der Pianist Dmitrij Baschkirow aus Tiflis, den man von seinem vorjährigen Wiener Fest- wochendebut kennt. Er spielt sehr vital, ja überschäumend temperamentvoll; aber nur zu oft läßt er Details geradezu roh, dann flicht er wieder Passagen ein, die er mit äußerst subtilem Anschlag und raffinierter Dynamik auskostet, oder er verlegt sich ganz plötzlich auf eigenwillige Temposchwankungen, mit denen er so manchen Dirigenten in Verlegenheit bringen könnte. Im Grunde spielt er aber doch so musikalisch und liebenswürdig, daß man an dieser kapriziösen Beethoven- Wiedergabe seinen Spaß hatte. Wolfgang Sawallisch leitete die Symphoniker sehr anpassungsfähig und delikat, verstand es glänzend, Baschkirows Eskapaden und Tours de force korrekt und elegant zu begleiten, Zu Beginn hörte man Ilde- brando Pizzettis „The Preludi sin- fonici per TEdipo re“ (1904), effektvolle neoklassizistische Gebrauchs- das heißt: Theatermusik, die klanglich eine Menge Stimmungsreize bietet. Mozarts „Jupiter“-Symphonie (KV. 551) wurde klar, sachlich, mit überzeugender Ökonomie musiziert.

Der aus Linz gebürtige Dirigent Ralf Weikert, der den Zyklus der Sonntagsvormittagskonzerte im Sendesaal eröffnete, zählt zu den Geheimtips unter den jungen Orchesterleitern. Dies konnte man erneut im Symphonikerkonzert konstatieren. Weikert leitete das Orchester elastisch, ungemein straff, mit Tempo, Geschmack und Fingerspitzengefühl für Klang und Poesie. Seine Schlagtechnik ist knapp, akkurat, ökonomisch. Seinen Musikern teilt er sich sehr korrekt mit. Resultat: ein temperamentvoll und farb- intensiv gespieltes Konzert. — Vor allem Egon Wellesz’ fünf symphonische Stücke „Prósperos Beschwörungen“ wurden in Agogik und Dynamik perfekt austariert aufgeführt: Großartig der in Steigerungen raffinierte „Caliban"-Satz, nervös flatternd Ariels „Sturm“-Satz, subtil verwoben der sanfte Epilog, Hilde So- mer spielte ein Klavierkonzert des 1931 geborenen Argentiniers Antonio Tauriello, ein Furioso knappster Floskeln, die einander jagen, durch vielfach aufgespaltene Instrumentengruppen huschen. Der rasante Klavierpart, der vom Orchesterpart total isoliert abläuft, ist aleatorisch konzipiert.

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