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Oratorien, Liedgesang

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Unter der exakten, auf richtige Tempi und gut angelegte Steigerungen bedacht nehmenden Leitung Xaver Meyers hatten sich der Wiener Madrigalchor und die Goethe-Kantorei sowie ein Barockensemble des „ORF“-Symphonieorchesters zu

einer (Matinee-)Aufführung von Händeis „Messias“ zusammengetan. Als best zu wertende Chorleistungen sind das berühmte „Halleluja“ und der mit pompöser Fuge ausgestattete machtvolle Schluß des dritten Teiles zu nennen. Im Soloquartett zeichnete sich Peter Baillie aus, welcher die hauptsächlich die Mittellage beanspruchende Tenorpartie sowohl im dramatischen Zugriff als auch in der lyrische Weichheit verlangenden Kantilene gut angelegt hatte. Der koloraturbeflissene Baßbariton Retd Bungers überzeugte in der „Posaunenarie“ mehr als in seinem Accom-pagnato-Rezitativ „So spricht der Herr“. Der zarte, gut geführte Sopran Annelies Hückls und der mehr dem Mezzo zuneigende Alt Helga Wagners bewährten sich als die weiblichen Stützen des Soloensembles. Am Cembalo wirkte Johann Sonnleitner, als erfolgreicher Sopra-ninotrompeter Wilhelm Heinrich. Eine solide, gut aufgenommene Aufführung.

Franz Schmidt verdient es, zumindest mit seiner 4. Symphonie und dem „Buch mit sieben Siegeln“ in die Programme auch ausländischer Konzerte öfters aufgenpmmen zu werden. Was sich in den beiden Teilen des „Buches“, zuerst in einem umfassenden Prolog und anschließender Öffnung der Siegel, und dann im zweiten in der Stille des Himmels und im Spruch des Jüngsten Gerichtes musikalisch ereignet, ergibt ein echtes, ehrliches und allgemein verständliches religiöses Oratorium. — Die Aufführung erreichte ein im allgemeinen erfreulich hohes Niveau. Der impulsive Leiter, Carl Melles, war auf Transparenz der Partitur, auf Herausarbeitung ihrer dramati-

schen Anlage und Abschattierung der Orchesterfarben ungeachtet mancher Breitseiten des schweren Blechs bedacht. Hervorragend Waldemar Kmentt in der Partie des Johannes, die der eminent musikalische Tenor mit bis zum Schluß durchhaltender Intensität und höchster Ausdruckskraft sang. Das übrige Solistenensemble in den kleineren Partien kam nur mit einigem Abstand an diese großartige Leistung heran; am besten der silbrige Sopran Arleen Augers, für die Stimme des Herrn wenig geeignet der Bariton Ernst Schramms. Klangschön und sauber intonierend der gut studierte Singverein, anerkennenswert das wenn auch in den Streichern nicht erstklassig besetzte ORF-Orchester. Großer Beifallsjubel.

P. L.

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Unverständlich, daß eine Künstlerin wie Victoria des Los Angeles so wenig Selbstkritik besitzt, für ein Liederabendprogramm im Brahms-saal Werke auszusuchen, die ihre Stimme weit überfordern: Brahros' „Gang zum Liebchen“ etwa oder Schumanns. „Nußbaum“ und „In der Fremde“ wirken in ihrer Wiedergabe geradezu peinlich. Die etwas gequälte Höhe, die stellenweise nicht ganz reibungslosen Registerwechsel, das Auslassen des Timbres stören empfindlich. Wesentlich überzeugender singt sie Debussys „Chansons de Bildtis“, in deren schwerelosem Dahingleiten sie mit Kunstgriffen aller Art über die „brüchigen“ Stimmzonen hinwegkommt, oder Lorcas „Canciones populäres Espa-fiolas“, in denen der Ausdruck vor der Schönheit der Stimme Vorrang hat. Ein aufmerksamer Begleiter: Miguel Zanetti. R. W.

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Wenn CJiristiano Rossi den Bogen ansetzt, spürt man sofort, daß dieser von einem Meister geführt wird, dem es gegeben ist, stets das Wesentliche zu erfassen und mit außerordentlicher Gestaltungskraft zu for-

men. So wurde Beethovens Violinsonate in c-Moll (op. 30, Nr. 2) zu einem tiefbeeindruckenden Erlebnis, während sich in Tartinis op. 2, Nr. 12 und Dallapiccolas „Tartiniana Se-conda“ die kostbaren Resultate einer wahren Schatzgräberei offenbarten, auf welcher die schlechthin ideale Zusammenarbeit Rossis und des hervorragenden Pianisten Antonio Baccchelli basiert. — Der zweite Teil des Abends wurde mit der schönen,

viel zuwenig bekannten Sonate für Solovioline von Eugene Ysaye begonnen und mit der immer von neuem faszinierenden „Sonate“ von Ravel beschlossen, die mit begeistertem Beifall bedankt wurde. Das erste Wiener Auftreten dieses Duos, zu welchem das Italienische Kulturinstitut geladen hatte, war ein voller, wohlverdienter Erfolg für Veranstalter und Ausführende.

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