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Konzerte

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Auch in der „Großen Symphonie” weht ein bißchen frischer Wind, Zwar engagiert sich noch niemand für „schockierend” neue Werke, aber wenigstens für Neueres. Diesmal etwa für Arnold Schönbergs frühe „Sechs Orchesterlieder” (op. 8). Christoph von Dohnd- nyi hat sich für diese Aufführung Anja Silja als Solistin geholt. Tief taucht sie ein in den romantischen Überschwang dieser Musik. Ihr noch immer volles, klar zeichnendes Material leuchtet auf in Hagelwetter, Stürmen und Liebesqualen. Makellos ist der Glanz ihres Soprans allerdings nicht mehr. Aber Dohnäny umsorgt und führt sie wie die Wiener Symphoniker mit soviel Temperament und Geschmack, daß die Aufführung allein durch die Intensität spannend klang.

Auch Raritäten sind jetzt in der „Großen Symphonie” gefragt: So Mendelssohns „Erste Walpurgisnacht”, in der Form ein der barok- ken Kantate mit ihrem Wechsel von Arien und Chorsätzen verwandtes Werk (von 1842). Goethes Text von Druidenzauber und Hexenspuk ist da mit romantischer Farbigkeit umgesetzt. Der fabelhafte Instrumentationskünstler Mendelssohn, dem Dohnänyi mit aller Virtuosität und Bravour der Darstellung voll gerecht wird, siegt allerdings um volle Längen über die Einfälle des Komponisten Mendelssohn. - Im Solistenquartett füllte eigentlich nur Wolfgang Schöne mit großem Bariton und weichem dunklem Timbre die Priesterpartie. Anne Gjevang, Peter Baillie und Alfred Sramek hielten sich mehr an die Routine. Der Singverein war blendend studiert.

Gidon Kremer macht es sich selbst nie leicht, er schenkt auch meist seinem Publikum nichts. Dieser fulminante Geiger aus David Oistrachs Schule bescherte diesmal im Musikverein ein erlesenes Programm von solcher Intensität, daß der Hörer - wie selten - zu aktivem Mithören, Mitfühlen, Mitdenken animiert wurde. Eine Erlösung aus dem passiven Konsumentendasein. So aufregend können Konzerte sein. Kremer spielte - vom jungen Oleg Maisenberg kultiviert, aber kühl begleitet - „kleinere” Stücke: Anspruchsvolles von Webern (op. 7) und Schönberg (Fantasie) neben griffig-eleganter Romantik von Richard Strauss (Sonate, op. 18); neben intimen klassischen Werken, die weit davon entfernt sind, Publikumsreißer zu sein, wie Beethovens Variationen über Mozarts „Se vuol ballare, Signor Contino”. Da zeigte sich der hinreißende Geiger Kremen in voller Kraft und Eigenart: jede Miniatur, selbst jede süßliche romantische Schnulze der Draufgaben blüht im samtigen Ton seiner Gua- danini-Geige berückend auf. Manche Details hört man völlig neu. Der Schmelz seiner Kantüenen ist unvergleichlich.

R. W.

Küchl- und Alban-Berg-Quartett an einem Abend und im selben Saal: das hätte doch ein musikalischer Höhepunkt werden müssen, wie man ihn auf dem Gebiet der Kammermusik nur selten erlebt! Was letzten Endes im Brahms-Saal herauskam, war aber leider „nur” Wiener Konzertalltag: beste Musik, die schlechter (aber auch wesentlich besser) interpretiert hätte werden können … Schuld war eigentlich der Primus des Berliner Streichquartetts, das ursprünglich im Brahms-Saal auftreten sollte; er erkrankte, und so wurde die Idee geboren, das für Baron Mayrs 90. Geburtstag einstudierte Streicheroktett von Felix Mendelssohn-Bar - tholdy einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Die Realisierung des eingangs vom Küchl-Quartett gespielten op. 59/1 von Beethoven hielt höheren Ansprüchen noch weniger stand und wies sogar Intonationsfehler auf. Schade.

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