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Krips, Tretjakow, Richter

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Festwochenschluß im Musikverein: ' Josef Krips, die Solisten Anno Rey-: noJds und Jess Thomas, und die ; Symphoniker führten Güstow Mah-' lers „Lied von der Erde" auf. Eine ungemein konzentrierte, bis in die Details schön modellierte, ausdrucksstarke Wiedergabe, in der Krips intensive Beziehungen zu Mahlers Welt voll sterbender Schönheit, Resignation, Melancholie nachwies.

Krips versteht es, die Stimmungsskala zwischen der ausgelassenen Heiterkeit des „Lieds von der Jugend" bis zum Schlußgesang „Uberall und ewig blauen licht die Fernen ..." des „Abschieds" behutsam zu differenzieren, Mahlers kunstvoll gesetzte koloristische Valeurs in aller Eigenheit blitzen, rieseln und raunen zu lassen, dabei das Orchester in jedem Moment spürbar „in der Hand" zu behalten.

Anna Reynolds' schmiegsame, füllige, ungemein kultiviert eingesetzte Stimme ist für Mahler schlechthin ideal; ihre großen Kantilenenbögen strahlen Wärme und Innigkeit aus; ihre hohe Lage glänzt verführerisch. Man spürt, wie gut sie diese Texte versteht... Jess Thomas' Tenor, nicht unbedingt für Mahler-Lieder geeignet, setzte auf die Kraft des Materials, mit dem er selbst die großen Orchesterausbrüche des „Trinklieds" überstrahlte.

Vor der Pause geigte der 26jährige Russe Viktor Tretjakow — wir kennen ihn seit 1967 — Mozarts D-Dur-Violinkonzert (KV 218): mit etwas kühlem, schlankem Ton, aber sehr musikalisch und mit Flair für spielerische Eleganz. Eine gut austarierte, klug disponierte Wiedergabe mit vielen überzeugenden Details.

Das Publikum jubelte begeistert.

Karlheinz Roschitz

*

Als der junge, aus der Meisterschule Oistrachs hervorgegangene russische Geiger Tretjakow vor eini-

: Wiener Publikum trat, erzielte er • mit dem Tschaikowsky-Konzert Bei-; fallsstürme, die dem Musiker, mehr

- aber dem hervorragenden Instru-; mentalisten galten. In seinem Abend ; im Brahmssaal hat sich der Künst-

- 1er auch jetzt wieder in erster Linie f als der famose Geigentechniker i manifestiert, dem bei Beethoven-. und Brahms-Sonaten (Es-Dur und d-Moll) nicht überdurchschnittliche Interpretationen nachzusagen sind. Großartig dagegen die geigerischen Leistungen bei Schostakowitschs i „Präludien" und Chaussons

- „Poeme", die kompositorisch billige . Thematik aufweisen. In virtuoser

Superform geriet Ravels „Tzigane", t welche dem Künstler hexenmeisterische Kunststücke abforderte und stürmischen Beifall eintrug. Michail 1 Erochin war ein zuverlässiger, bei 1 Brahms aber zu trockener Begleiter.

Der letzte Orgelabend Karl Richters im Großen Musikvereinssaal hat gewiß wieder zu zwiespältigen Mei-1 nungen über die Boch-Auffassung 1 des Künstlers Anlaß gegeben. An-I hänger einer Interpretation Heillers, . der die Werke des Thomaskantors i für sich selbst sprechen und Subjektivität kaum aufkommen läßt, wer-. den beispielsweise mancherlei . Ritenuti und Accelerandi in der von Richter in romantischer Kontrastwirkung vorgetragenen Toccata und Fuge in F-Dur als antibachisch empfinden und mit einer solchen Darstellung nicht einverstanden sein. Doch ist die große Wirkung, welche der in Hochform spielende Künstler insbesondere in der stark registrierten Toccata, Adagio und Fuge C-Dur mit dem mächtig auftrumpfenden Pedalsolo erzielte, nicht wegzuleugnen und macht begreiflich, daß die oft sehr persönliche Auffassung Richters bei vielen seiner Hörer durchaus Anklang findet. Dem Choralschaffen Bachs war die Partita „Sei gegrüßet, Jesu gütig" gewidmet, zahlreiche Zugaben brachten eine vom Publikum dankbarst angenommene Verlängerung des Konzertes.

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