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Mahler-Konzerte

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Im letzten Abonnementkonzert der Philharmoniker und in der Wiener Staatsoper dirigierte Leonard Bernstein Gustav Mahlers II. Symphonie mit dem großen Auferstehungschoral nach Versen von Klopstock, die Mahler weitergedichtet hat. Das riesige, mehr als 80 Minuten dauernde Werk ist in fünf Teile gegliedert. Nach dem großen Trauermarsch (maestoso) folgen zwei idyllische Zwischenspiele, hierauf das mystische „Urlicht“ und, als Abschluß des symphonischen Dramas, der „große Appell“ mit den ekstatisch-entrückten Soli und dem geheimnisvollen, altertümlich stilisierten Auferstehungschor. — Leonard Bernstein, bereits bei seinem Erscheinen am Pult der Staatsoper lebhaft gefeiert, ist nicht nur ein faszinierender Dirigent, der Orchester und Chor zu ihren allerbesten Leistungen anfeuert, sondern er erlebt diese Musik auch in jeder Phase, in jedem Takt — und in ihrem Kern, ihrer persönlichen Aussage: ein Mahler-Dirigent, wie man ihn sich kaum vollkommener wünschen kann. Vom zartesten Ländleridyll bis zu dynamischen Ausbrüchen von erschreckender Gewalt (die im Schlußapplaus ihr Echo fanden), reicht Mahlers und Bernsteins Skala. Indem er den 1. Mittelsatz „ausspielen“ ließ und das Scherzo, gewissermaßen „unterspielend“, beschleunigte, schuf Bernstein einen sehr wirkungsvollen, auch künstlerisch vertretbaren Gegensatz. Das Orchester der Philharmoniker — bei dieser Aufführung im doppelten Sinn exponiert — gab wirklich sein Bestes an Klangschönheit und Intensität. Das gilt auch vom Staatsopernchor und den beiden Solistinnen Hilde Güden und Christo Ludwig, die, dem Beispiel des Dirigenten folgend, ihre Honorare der Israelhilfe gespendet haben. — Unsere Gedanken gingen auch zu Mahler, dem Operndirektor, und zu Bruno Walter, dem Mahler-Jünger und großen Humanisten, der im heurigen Jahr seinen 90. Geburtstag hätte feiern können und dessen fünfter Todestag sich vor kurzem gejährt hat... H. A. F.

Ein bedeutendes Festwochenerlebnis war die Aufführung der 3. Symphonie d-Moll von Gustav Mahler durch die Wiener Symphoniker unter Hans Swarowsky. Dieses abendfüllende Werk, Mahlers längste Symphonie mit ihrem gewaltigen ersten Teil und den lieblichen Sätzen des zweiten, bedeutet für alle Ausführenden, voran für den Dirigenten, immer wieder eine Kraftprobe erster Ordnung. Wenn man, um Deutungen zu gebrauchen, den ersten Teil als das Werden vom Stein zum Menschen verstehen kann, schildert der zweite die schöne Welt im Blumenstück (Menuettvariationen), im Tierstück (Comodo scherzando), im Mysterium „O Mensch, gib acht“ und im lustigen volksliedhaften Engelgesang, schließlich aber im wundervollen Adagio, einem Auf schweben der Liebe zu Gott. Die Wiedergabe des großen Werkes war von hinreißender Einheitlichkeit und Eindringlichkeit. Das Altsolo sang Lucretia West in dunkler verhaltener Leidenschaftlichkeit, in den Engelgesang teilten sich die Wiener Sängerknaben und der Frauenchor der Wiener Singakademie. Als Instrumentalsolisten wirkten Walter Schneiderhan (Violine), Hermann Schober (Posthorn) und Hans Pöttler (Posaune). Gustav Mahler wurde in allen Ausführenden mit lauten Bravorufen und tosendem Beifall gefeiert, besonders in der Person des Dirigenten.

Nicht als Konzert, sondern als Musik im liturgischen Gottesdienst hörten wir eine vorbildliche Wiedergabe des „Requiem“ von Wolfgang A. Mozart in der Burgkapelle, veranstaltet von der Hofmusikkapelle Wien, geleitet von Ferdinand Großmann. Man hat es hier wieder einmal erlebt, wie sehr diese Musik in die Kirche gehört und wie viel sie in konzertanter Wiedergabe verliert. In ihrer einmaligen künstlerischen Qualität ist sie ein Teil der Liturgie und nur in ihr voll entfaltungs-fähig, freilich auch in vollkommener Qualität der Wiedergabe. Wir halten diesen Gottesdienst für eines der größten Festwochenerlebnisse.

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