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Wir sind als Musikland viel zuwenig bekannt

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Ostösterreicher reisen zur Ausstellung „Musik in der Steiermark” mit dem Auto über eine der schönsten Strecken an: die AI verläßt man am besten bei St. Pölten, überquert den Seeberg mit Erzherzog Johanns Brandhof, verneigt sich vor der Alma Mater Au-striae zu Mariazell, betritt nach Hieflau das bizarre Gesäuse-Tal der Enns, und ist gerade recht zum Mittagessen in-Admont. Der Stiftskeller ist groß, die Weine sind gepflegt, die Preise moderat.

In die Ausstellung kommt man als Einzelperson um 25 Schilling, als Senior um 20 Schilling, wer auch noch die übrigen Sammlungen des Stiftes anschauen will, zahlt 40 Schilling, Studenten und Kinder bekommen besondere Ermäßigung. Es gibt auch Tageskarten, in denen der Eintritt in die Konzerte (an Wochenenden) inkludiert ist, eine Konzertkarte kostet so 60 bis 90 Schilling. Das Osterreichische Verkehrsbüro in Wien, die Reisebüros wissen auch, wo man allenfalls nächtigen kann, und übermitteln Vorbestellungen.

Was bietet nun die Landesausstellung für ihren ganz erheblichen Aufwand von rund fünf Millionen Schilling? Ein üppiges, zugleich aber nicht immer völlig befriedigendes Bild der Musiklandschaft Steiermark von einer Jagdpfeife aus dem Paläolithikum, der Altsteinzeit, aus einem juvenilen Bärenoberschenkelknochen geschnitzt, bis zum mehrere Meter hohen begehbaren Bühnenbild der erfolgreichen Opernuraufführung von Eröds „Orpheus ex machina” aus dem Jahre 1979.

Ist Ihnen die Steiermark als Musikland überhaupt ein Begriff? Mozart in Salzburg, Haydn im Burgenland, Bruckner in Oberösterreich - das sind Binsenweisheiten. Aber daß der erste namentlich bekannte österreichische Komponist vermutlich der steirische Minnesänger Ulrich von Lichtenstein war, daß ein in der Steiermark geborener Kaiser, Ferdinand III. (1608 -1657), Genie zum Komponieren besaß, daß die wichtigsten Komponisten Europas bis ins 19. Jahrhundert aus dem kompositionstheoretischen Buch eines Steirers, Johann Joseph Fux, ihr Handwerk lernten, daß Franz Schubert in Graz ein größeres Publikum als in Wien besaß, Hugo Wolf ein Unterstei-

.....daß Franz Schubert in

Graz ein größeres Publikum als in Wien besaß ...” rer war, daß Grazer wie Karl Böhm, Ernst Märzendorfer, Alfred Walter, Günter Neuhold bis zum heutigen Tag beweisen, daß Graz immer ein Reser-i voir für Dirigenten war - das alles weiß vielleicht nicht jeder Musikfreund. Daß Richard Strauss in Graz die österreichische Erstaufführung seiner „Salome” erleben mußte, weil die Hofoper Zensur gegen biblische Stoffe ausübte, ist dagegen ein bekannter Treppenwitz ,der Geschichte.

Die einzelnen Schauräume sind durch unauffällige Farbsymbolik - violett etwa für die Geschichte der Kirchenmusik, grün für die der Volksmusik - gegliedert, in jedem Raum ist gedämpft Musik von Tonbändern zur entsprechenden Epoche oder Gattung zu hören. Von der Kunstgeschichte (frühe Darstellung von Musikinstrumenten etwa aus keltischer .oder römischer Zeit) bis zur Wirkungsforschung in Sachen Avantgardefestival „Steirischer Herbst”, Jazz, Pop und Schlager reicht die Spannweite, einzelne Legenden an Ausstellungsobjekten lassen allerdings stark zu wünschen übrig. Der umfangreiche Katalog ist nicht billig, nicht leicht lesbar, aber immerhin durch ausführliche Register für Fachleute brauchbar.

Besonders erfreulich ein Detail der Ausstellung: von Paul Homberger, einem Schüler Giovanni Gabrielis und Begründer der protestantischen Kirchenmusik in der Steiermark, herauf, wird dieser wichtige Zweig der Musiklandschaft Steiermark gut repräsentiert, was fast einer Neubewertung gleichkommt.

Die Konzerte finden entweder im Freien um den barocken Musikpavillon oder in repräsentativen Räumen des Stifts statt: am 28. Juni (17 Uhr) tanzt das Grazer Ballett zur Musfck von Johann Joseph Fux, am 29. Junü spielt der aus Graz gebürtige Erich Kleinschuster mit seinem Quintett Jazz (16 Uhr), am 2. Juli gastiert der Grazer' Nikolaus Harnoncourt mit seinem Joncentus Musicus (20 Uhr), am 5. Juli'spielt Peter Herbholzheimer mit einwr steirischen Big Band.

Der Autor ist Musikkritiker der „K einen Zeitung”, Graz 262371

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