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Der Weg zur Ökumene

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Mit allen Anzeichen eines großen Ereignisses wurde von Landeshauptmann Josef Krainer die steirische Landesausstellung zum Jubiläum des Toleranzpatentes in Graz mit dem Titel „Evangelisch in der Steiermark, Glaubens- kampf-Toleranz-Brüderlichkeit“ eröffnet. Damit setzte die Steiermark einen mutigen Schritt, ihre evangelische Minderheit der nichtevangelischen Mehrheit des Landes verständlich zu machen und jene Verkrustungen zu bewältigen, die als Ergebnis längst vergangener historischer Situationen den Weg zum Miteinander beschwerten.

Die bis 2. August geöffnete Ausstellung zeigt auf Grund neuester Forschungsergebnisse, wie stark die Steiermark an der Modernität einzelner Epochen Anteil hatte und wie sehr gerade auch in der Steiermark der Protestantismus von allgemeinen politischen und geistesgeschichtlichen Entwicklungen abhängig war.

Die Schau in den spätbarocken Prunkräumen des Palais Attems folgt in ihrer Gliederung diesen politischen Gegebenheiten und räumt dem wesentlichen Träger evangelischen Denkens, dem gedruckten Wort, breiten Raum ein. Vom Material her bilden ausgewählte Archivalien auch optisch eine gute Ergänzung, während Kunstwerke, Reproduktionen und Fotos den farblich durchgestalteten Raumeindruck beherrschen. .

Aus dem 16. Jahrhundert, in dem die Nichtanwendung von Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens durch Erzherzog Karl II. eine starke Entfaltung des Luthertumsermöglichte, die Anstrengungen der Türkenabwehr eine Kompromißhaltung zwischen Landesfürsten und protestantischen Ständen herbeiführten, dominieren die eben restaurierten Altartafeln des großen Schladminger Flügelaltars von ca. 1570 mit der Gesetz- und Gnade-Darstellung, der mächtige Praunfalk-Epi- taph aus der Pfarrkirche Knittelfeld und eine protestantische Kanzel aus der Cäcilienkirche in der Pfarre St. Georgen ob Murau.

Eine Statue des heiligen Florian mit den Gesichtszügen des Salzverwesers Hans Herzheimer erinnert an diesen ersten Steirer, von dem bekannt ist, daß er Luther Anfang 1519 in Wittenberg predigen hörte. Das vergoldete Herber

steiner Taufgeschirr und das berühmte Brücker Libell über die Zugeständnisse Erzherzog Karls II. an die Stände, die Stiftsschule und die geistige Auseinandersetzung, getragen von den Jesuiten, sind weitere Markierungen in einer Fülle anklingender Themenstellungen.

Ein zweiter Teil umfaßt die Epoche des fürstlichen Absolutismus, der das Luthertum in der Steiermark in den Untergrund abdrängte und seine Kirche zerschlug. Dieser Teil ist gekennzeichnet vom Kampf um das evangelische Buch, das versteckt, beschlagnahmt, verbrannt und wieder eingeschmuggelt wurde. Er reicht von der Gegenreformation Ferdinands II. über den Geheimprotestantismus bis zu den Ansiedlungen unter Maria Theresia und leitet mit der Aufklärung zum Toleranzgedanken über.

Das Ausweisungspatent 1628 für den evangelischen Adel, ein Buchversteck aus der Ramsau, die Zielorte steirischer Exilanten, Steirergemeinden in Siebenbürgen, der Hochgradschurz der Grazer Freimaurerloge 1791/92, die wichtigsten geheim bewahrten Druckwerke aus steirischen Bauernhöfen fallen ebenso auf wie die protestantische Volkskultur im Ennstal als Zeugnis der Abschließung.

Dem schließt die Entwicklung von der Toleranzkirche bis zur Gegenwart an. Hervorzuheben ist die Darstellung

der Durchführung des Toleranzpatentes in der Steiermark, dann frühes liturgisches Gerät, das Bibelpult aus der Mayerhoferscheune in der Ramsau, das dem ersten evangelischen Gottesdienst nach dem Toleranzpatent diente. Kurz gestreift werden die Gemeindegründungen der Los-von Rom-Bewegung und die Entwicklung während des Ständestaates.

Der geschichtliche Teil klingt aus mit der ökumenischen Bewegung, die in der Steiermark eine längere Tradition und größere Breitenwirkung hat, wobei die unvergeßliche Gestalt des Prälaten Scheiber aufleuchtet. Abschließend wird die Evangelische Kirche heute in ihrem Aufbau, ihren wichtigsten Selbstaussagen und Tätigkeiten gezeigt. Ein taschenbuchartig gestalteter Ausstellungsführer bietet ebenso kompakte Information in leicht faßlicher Form wie das didaktisch abgestufte System von heranführenden Karten, Texten und Beschriftungen.

Die erfolgreiche Zusammenarbeit katholischer und evangelischer Wissenschaftler und Laien für diese steirische Landesausstellung gibt ein Beispiel, daß Geschichte gewordene Vorgänge bewußt machen sie bewältigen heißt.

Hofrat Dr. Gerhard Pferschy, Landesarchivdirektor der Steiermark, besorgte, unterstützt von 18 Hauptbearbeitern, die Gesamtleitung und Konzeption der Ausstellung.

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