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Blick zurück ohne Zorn

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1731 mußten 21.000 Salzburger Protestanten ihre Heimat verlassen. 1781 erließ Kaiser Joseph II. das Toleranzpatent. Grund genug für A usstellungen in mehreren Teilen Österreichs und für neue Bücher. Die FU RCHEhat aus diesem Jubiläumsmosaik drei Steinchen herausgegriffen.

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1731 mußten 21.000 Salzburger Protestanten ihre Heimat verlassen. 1781 erließ Kaiser Joseph II. das Toleranzpatent. Grund genug für A usstellungen in mehreren Teilen Österreichs und für neue Bücher. Die FU RCHEhat aus diesem Jubiläumsmosaik drei Steinchen herausgegriffen.

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„Aus ökumenischem Geist heraus drängt es mich, die Verfügung eines meiner Vorgänger zu bedauern, wodurch die evangelischen Brüder und Schwestern genötigt wurden, das Land Salzburg zu verlassen.“

Mit diesen Worten, die sich auf die Vertreibung von über 21.000 protestantisch gesinnten Salzburgern unter der Regierung des Kirchenfürsten Leopold Anton von Firmian in den Jahren 1731/ 32 bezogen, leitete Erzbischof Andreas Rohracher 1966 das heutige ökumenische Verhältnis zwischen den Konfessionen in Salzburg ein.

Die Eröffnung der Ausstellung „Reformation, Emigration - Protestanten in Salzburg“, die heuer zum Gedenken an das just 250 Jahre zurückreichende Emigrationspatent auf dem pongaui- schen Schloß Goldegg veranstaltet wird, ließ jüngst den gegenwärtigen Salzburger Metropoliten die Erklärung seines Amtsvorgängers bekräftigen.

Darüber hinaus forderte Erzbischof Karl Berg, „den Willen zum Miteinander zu stärken“ und äußerte die Hoffnung, die Dokumentation der protestantischen Glaubensbewegung im einstigen Erzstift möge „nicht alte Gräben aufreißen, sondern Wunden schließen , helfen“. ‘

Solches liegt zweifellos im Interesse aller an dieser zweiten Salzburger Landesausstellung Beteiligten. Gleichsam das sachliche Instrumentarium liefern hiezu umfassende neuere Forschungen, die den vielschichtigen historischen und sozialen Hintergrund der Salzburger Protestantenverfolgungen aufzuhellen versuchen.

Als Schauplatz der mit über 300 Objekten bestückten Dokumentation dient der eigens restaurierte Sitz der „Herren von Goldekke“ im malerischen Bergdorf Goldegg am See. Diese Stätte ist zum einen wegen des frühreformatorischen. Bildprogramms ihres prachtvollen Renaissance-Freskensaals besonders prädestiniert und verweist zum anderen auf die Kernzone der evangelischen Glaubensbewegung im Salzburg der Firmian-Zeit: auf den Pongau nämlich, der durch die Auswanderung wohl den schmerzlichsten Aderlaß erlitt.

Die auf 14 Räume des Schlosses thematisch einprägsam gegliederte Schau setzt bei den Bauernkriegen des frühen 16. Jahrhunderts an und verfolgt die fortan immer wieder aufflackernden Zusammenstöße der katholischen Obrigkeit mit ihren reformatorisch beeinflußten Untertanen bis zum großen Eklat unter Erzbischof Firmian. Sie belegt den Verlauf der unter entsetzlichen Härten vollzogenen Vertreibung von insgesamt 21.475 Salzburgern und skizziert deren Wanderung nach Ostpreußen, Holland, Amerika oder anderen Zielen in Europa bzw. Übersee.

Bis zur Säkularisierung des Kirchenfürstentums anno 1803 blieb Salzburg nach dieser Ausmerzung jeglichen protestantischen Gedankenguts rein ka tholisch. Als es beim Anschluß an Österreich in den Gültigkeitsbereich des josephinischen Toleranzpatents kam, ermittelten die Behörden inklusive aller neu seßhaft gewordenen Fremden „bloß 42 akatholische Individuen“. Deren Zahl verzehnfachte sich bis zum Jahre 1861.

Erst 1835 durften die evangelischen Salzburger durch Pfarrer aus dem oberösterreichischen Attersee-Gebiet seelsorglich betreut werden, und noch sieben Jahre verstrichen bis zur Genehmigung der frühesten protestantischen Beisetzung auf dem Boden des einstigen Erzstiftes.

Als Zeichen fortschreitender Anerkennung der 1863 selbständig gewordenen Pfarrgemeinde Salzburg mag die Tatsache gelten, daß die Landeshauptstadt vorübergehend evangelischen Andachten im historischen Rathaussaal das Gastrecht gewährte.

Im September 1867 wurde dann die erste protestantische Kirche geweiht, die heute mit zwölf weiteren Gotteshäusern für rund 20.000 Gläubige Sammelpunkte der in vier Gemeinden organisierten Superintendentur Salzburg bilden.

Nicht unerwähnt bleibe die Abbittleistung einer Nachfahrin Erzbischof Firmians. Leopoldine Reccägni, geb. Gräfin Firmian, hinterließ'1881 eine namhafte Stiftung zugunsten evangelischer Waisenkinder und begründete ihr Vermächtnis mit dem Satz: „Ich glau, be damit eine Schuld abzutragen, da ein meiner Familie Angehöriger im vorigen Jahrhundert vielleicht allzu fanatisch manche evangelische Familie ins Verderben gejagt hat.“

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