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Zillertaler Volksschicksale

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Seit den Tagen der Zillertaler „Nationalsänger“ bei Goethe, der „Hof- und Salontiroler“ bei Immermann und Heine, der Tuxer Kraxen-und Oelträger sind „die Zillertaler“ in Liedern, Bräuchen und Spielen beliebte Gestalten gewesen, oft besungen und viel gezeichnet und gemalt. Nun widmet ihnen Anton Dörrer in einer unter obiger Ueberschrift bei Wagner in Innsbruck erschienenen Abhandlung eine reichhaltige Studie, die volkskundlich und kulturgeschichtlich, aber auch soziologisch Beachtung verdient. Aus seinem reichen archivalischen und volkskundlichen Wissen zeigt er an zahlreichen, interessanten Belegen, wie das große Gebiet, das man unter dem Namen „Zillertal“ zusammenfaßt, seit Jahrhunderten nicht

nur in der Vulkskultur, besonders im Brauch, Lied und Volksschauspiel weit über Tirol hinaus angesehen und wirksam war, sondern wie es auch im entfalteten Spiel und Fest der städtisch patri-zischen und der höfischen Kreise in Bozen, Brixen, Innsbruck, Salzburg, München und Wien in sogenannten „Bauernhochzeiten“, „Wirtschaften“, „Königreichen“ und „Faschingbauten“ Nachahmung fand, wobei sich die Damen und Herren „alle aufs schönst peirisch bedaidt“ und aufgeführt haben.

Dabei geht diese Volkskultur nicht nur in ihren Ursprüngen sehr weit, bis auf frühe Kult- und Maibrautspiele und auf mittelalterliche Grundlagen zurück, sondern sie ist auch im Volk selbst kraftvoll geblieben und hat selber wieder, zumal in Bergarbeiter- und Handwerkerkreisen wellenförmig weitergewirkt. Besonders hat sie noch bis weit herauf ins 19. Jahrhundert begabte Volksdichter hervorgebracht, die zahlreiche, gern gespielte Stücke für ländliche Bühnen schrieben, am meisten wohl der Köhler Josef Schmalz aus Hart, von dem allein 22 solche Stücke, aus der Mitte des 19. Jahrhunderts erhalten sind. Daneben leben alte Volksschauspiele, z. B. das Mayrhofner Nikolausspiel, bis in unsere Tage fort. Und trotz schwerer Gegenschläge, wie sie die Ausweisung der Evangelischen, die Kriege und zunehmende Technisierung, aber auch billige Unterhaltungstheater mit sich brachten, streben etliche Zilier-taler immer wieder nach lebenseigenen, dichterisch vertieften Volksschauspielen, woraus u. a. 1928 in Arbeitskreisen das Passionsspiel von Zell a. Z. und bald darauf „Der Auswanderer vom Zillertal“ hervorgingen.

Kurz, man sieht, wie hier der Menschenschlag mit seiner hohen musikalischen, bildnerischen und schauspielerischen Begabung, gefördert von Tracht, Mundart und Lied den Lebensrhythmus gestaltet hat, der dem „Organismus Zillertal“ eignet, und der einen der bedeutsamsten und erfreulichsten Bereiche österreichischer Volkskultur lebensvoll prägen konnte.

Univ.-Prof. Dr. Viktor v. Geramb•

Handbüchlein des christlichen Streiters. Von Erasmus von Rotterdam. Uebertragen und eingeleitet von Hubert Schiel. Verlag Otto Walter AG., Ölten und Freiburg im Breisgau. 1952. 203 Seiten.

Dieses neu übersetzte kleine Werk, das Erasmus von Rotterdam (1467—1536). ursprünglich für einen Freund geschrieben hatte und erst später zu einem „Enchiridion“ des Tatchristentums für alle Stände erweiterte, erhärtet die keineswegs allgemein bekannte Tatsache, daß Erasmus, der genialste und gefeiertste Humanist Deutschlands, auch zu den großen religiösen Geistern der Menschheit zu zählen, ja, daß er als „das lebendige religiöse Gewissen der noch geeinten Christenheit“ anzusprechen ist.

Das „Enchiridion militis Christiani“ entstand leurx nach 1500, wurde bald in viele Sprachen übersetzt und war bei Geistlichen und Laien gleich beliebt. In neuerer Zeit hingegen wurde es schwer verkannt, bis es, im Gegensatz etwa zn Janssen, der den Humanisten Erasmus noch im Licht der Doppelzüngigkeit sah, von dem katholischen Kirchenhistoriker F. X. Funk als ein wahrhaft christliches Buch „wiedererkannt“ wurde. Tatsächlich ist das „Handbüchlein“ getragen von einer

wahrhaft glühenden Begeisterung für die Heilige Schrift. „Es läßt sich nicht sagen, wie ich mit allen Fasern zur Heiligen Schrift eile, wie mir alles ekelhaft ist, was mich von ihr wegzieht oder

fernhält“, so heißt es in einem Brief. Erasmus

war es bekanntlich auch, der die erste Druckausgabe des griechischen Neuen Testaments geschaffen hat. Das „Enchiridion“ war ursprünglich für einen Weltmann, einen Ritter, bestimmt; dem entsprechen die Bilder und Wendungen des Buches. Auch das Wort „Enchiridion“ bedeutet nicht nur ein Handbuch, sondern auch den Handdolch, den der Ritter neben dem Schwert bei sich führte. Das Bild von den Waffen im geistlichen Kampf war traditionell, schon Isaias und Paulus verwendeten es. — In erster Linie will das Handbüchlein dem Laien die Bedeutung des Studiums der Heiligen Schrift für das eigene religiöse Leben zeigen. Es will ihn von den Aeußerlichkeiten zu dem Wesen der Frömmigkeit und der Religion führen. Dem in seinen Sünden verfangenen Menschen soll ein christlicher Lebenshalt und Lebensinhalt gegeben werden. Das Buch ist auch alles andere als „ein schaler Aufguß antiker Lebenslehre“, wie behauptet wurde; denn maßgeblich für die Pflicht zu einem tugendhaften Leben ist darin das Taufgelöbnis und die Besinnung auf den Opfertod Christi. Als Ursache .aller menschlichen Uebel wird die Erbsünde mit ihren Folgen bezeichnet. Der zentrale Gedanke der Schrift ist aber der Glaube an das Corpus Christi mysticum. Doch will der Verfasser keine dogmatischen Wahrheiten lehren, sondern zur christlichen Tat führen. Wenn er bestehende Mißstände der Kirche geißelt, dann entspringt dieses Unterfangen keiner Kirchenfeindlichkeit, sondern es ist Ausdruck seiner besorgten Liebe zur Kirche. In dem Handbüchlein geht es um den Ernst der christlichen Entscheidung; dies kann auch und gerade heute für das ökumenische Gespräch fruchtbar gemacht werden..

An dieser Neuausgabe verdient das ausgezeichnete Vorwort des Uebersetzers, Dr. Hubert Schiel, besonders hervorgehoben zu werden, das den entsprechenden Rahmen für den wertvollen Inhalt bildet. Der Text ist erfreulicherweise in einem gepflegten Deutsch dargeboten. Dem Verlag ist für die Herausgabe und vorzügliche

Ausstaltuns dieses Bandes, der ebenbürtig neben Epiktets „Handbüchlein der Moral“ steht, zu danken.

Dipl.-Bibliothekar Franz Ser. Vetter. *

Wirtschaftsrecht von Dr. Guido Sommer (II. Auflage). Verlag Dr. Anton Orac, Wien, 145 Seiten.

In übersichtlicher Gruppierung und faßlicher Darstellung faßt hier der Autor die für den Praktiker wichtigsten Bestimmungen des Wirtschaftsrechtes zusammen. Das Werk — in zweiter Auflage in wesentlichen Punkten ergänzt und erweitert — ist ein empfehlenswerter Leitfaden zu einer schwierigen und vielfältigen Materie.

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