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Lebensberuf — Symphoniker

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Oberösterreich veranstaltet seine Landesausstellung 1996 an zwei Orten. Ein Teil wird im Augustiner Chorherrenstift St. Florian, einem Juwel österreichischer Baukunst südöstlich von Linz, präsentiert. Dort haben bereits zwei überaus erfolgreiche Ausstellungen des Landes stattgefunden: „Kunst der Donauschule" (1965), die erste oberösterreichische Landesausstellung, und „Welt des Barock" (1986). Der andere Teil, „Künstlerschicksale", wird im zirka 1200 Jahre alten Schloß Mondsee gezeigt.

Der Titel „Vom Ruf zum Nachruf" umfaßt die Teile in Schloß Mondsee und „Anton Bruckner" im Stift St. Florian. Anlaß, die Person Anton Bruckners, sein Leben und sein Werk zum Thema einer Landesausstellung zu wählen, ist die hundertste Wiederkehr seines Todestages am 11. Ok-tober.Bruckner hat in dem von Carlo Carlone und Jakob Prandtauer ba-rockisierten Stift als Sängerknabe, Lehrer und Organist gewirkt.

Das für die Ausstellungsdauer erstmals der Öffentlichkeit zugängliche Sommerrefektorium (Sommerspeisesaal) der Mönche und der ehemalige Kuhstalltrakt von Schloß Mondsee wurden auf Glanz gebracht. Der Kuhstall wird nach der 21. oberösterreichischen Landesausstellung als Musikschule fungieren. Fünf Musikwissenschaftler wähl-

Von 1750 bis heute

entwickelte sich der Begriff des Künstlers vom Handwerker, der seinen Beruf lernen kann, zum kreativ schöpferischen Menschen.

ten für die Dokumentation verschiedener Künstlerschicksale rund vierhundert Exponate aus: etwa die Wiege Peter Roseggers, ein Schulzeugnis Franz Schuberts, das Kindercello Franz Grillparzers und Frühwerke von Gustav Klimt und Egon Schiele, die Reisegarderobe Gustav Mahlers und dessen „letztes Kleidungsstück" - das Totenhemd.

Vertreten sind auch bekannte zeitgenössische Künstler und Künstlerinnen wie Ernst Fuchs, Alfred Hrdlicka, Oswald Oberhuber und Max Weiler, Gertrud Fussenegger, Elisabeth Reichart, Peter Turrini, H. C. Artmann und die Komponisten Helmut Eder und Balduin Sulzer.

Nicht zuletzt soll in einer kleinen „chronique scandaleuse" an die effektvollsten Künstlerskandale erinnert werden, beispielsweise an Klimts Fakultätsbilder und die Aufregungen um Thomas Bernhards Stück „Heldenplatz".

Den Abschluß der Schau bilden Aussagen österreichischer Künstler,

die über ihre Erfahrungen mit dem „Künstlersein in Österreich" sprechen. Dieser Teil bezieht sich auf die Zeit von etwa 1750 bis heute, in der der Begriff des Künstlers von dem eines Handwerkers, der seinen Beruf erlernen kann, zu dem eines kreativen Menschen sich entwickelt hat.

Um nicht allein mit der kulturell engagierten Mondseegemeinde, sondern um auch mit der gesamten Region verstärktes Interesse zu wecken, wird ein „Symphonieweg" von Bruckners Geburtsort Ansfelden nach St. Florian angelegt. Er führt den Besucher zu zehn Wirkungsstätten des „Musikanten Gottes". Als Wegbegleitung kann man mittels eines zur Verfügung gestellten Walk-

man zehn Bruckner-Symphonien und diverse Bruckner-Anekdoten hören.

Im Stift St. Florian ist ein Teil der Ausstellung der Begräbnisstätte es im Jahre 304 n. Chr. gesteinigten heiligen Florian gewidmet. Dort wird Anton Bruckner als Künstler gewürdigt, dessen Ruhm sich lange nur auf seine Fähigkeiten als genialer Improvisator auf der Orgel bezogen hat und nicht auf die Kompositionen seiner Symphonien.

Bruckner, der sich zu Richard Wagner bekannte, paßte sich keinen gesellschaftlichen Konventionen an.

Zeitlebens litt der Lehrersohn unter der Spannung zwischen Gegensätzen wie Land/Stadt, Broterwerb /Freies Schaffen, Kirchenmusik /Symphonik, Tradition/Vision, äußere Erscheinung/inneres Leben.

Anton Bruckner führte ein „Junggesellenleben ohne Bedeutung", so Franz Gransberger. Der Komponist lebte sehr bescheiden: er blieb unverheiratet, zu Beginn seiner Laufbahn von seiner Schwester, dann von seiner Haushälterin, Kathi Kachelmeier, betreut. Sie ist auch in die Musikgeschichte eingegangen.

Bruckner blieb bescheiden, auch noch nachdem ihm mit der Aufführung seiner „Siebenten Symphonie" in Leipzig 1884 der internationale Durchbruch gelang und ihm von der Wiener Universität das Doktorat für seinen „Lebensberuf als Symphoniker" verliehen worden

war. Die Ausstellung läßt Bruckners Karriere verfolgen: vom Schulgehilfen in Windhaag und Kronsdorf an der Enns, zum Stiftsorganisten in St. Florian und Domorganisten in Linz sowie zum Hofkapellmeisterorganisten und Lektor der Wiener Universität. Die letzten eineinhalb Jahre seines Lebens verbrachte Anton Bruckner in einer kaiserlichen „Hof-wohnung" im Kustodentrakt des Schlosses Belvedere, wo er an der „Neunten Symphonie" arbeitete, ohne das Finale zu vollenden.

Die wichtigsten Original-Partituren vermachte der Komponist der österreichischen Nationalbibliothek. Nach der Einsegnung in der Wiener Karlskirche wurde der tiefgläubige Katholik - seinem letzten Willen entsprechend - in St. Florian unter der von ihm geliebten Orgel beigesetzt.

Die Orgel wurde im 18. Jahrhundert von Franz Xaver Chrisman gebaut: mit vier Manualen, 103 Begi-stern und 7.343 Orgelpfeifen. Sie trägt seit 1930 seinen Namen.

Das nunmehr weit über die Landesgrenzen hinaus als Bruckner-Orgel bekannte Instrument wurde im Hinblick auf das Jubiläum restauriert. Im Stift gibt es nicht nur sechzehn Kaiser-, sondern auch ein Bruckner-Zimmer.

Die Ausstellung dauert von 25. April bis 27. Oktober.

Der 560 Seiten umfassende Katalog kostet 250 Schilling.

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