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Professor Raimund Weissensteiner

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Der junge Symphoniker Raimund Weißensteiner, der eben jetzt mit einer großen Darbietung wieder vor die Öffentlichkeit trat, darf wohl den bedeutendsten österreichischen Tondichtern der Gegenwart zugezählt werden. Sieben Jahre lang stand er, der mit Leib und Seele Österreicher ist, im Dunkel. Um so mehr dürfen wir uns jetzt seiner freuen. Weißensteiners Vorfahren waren tüchtige Bauern in Hoheneich im Waldviertel, wo Raimund Weißensteiner am 14 August 190 geboren wurde. Schon als zehnjähriger Sängerknabe des Stiftes Zwettl offenbarte er sein empfindsames, weiches Gemüt, das ihn in eine seltsame Vereinsamung führte. Der kaum Vierzehnjährige sonderte sich ab und beschäftigte sich mit seiner inneren, eigenen Welt. Mit 16 Jahren als Gymnasiast in Hollabrunn, schrieb er seine ersten Kompositionsversuche. Sein tief innerliches Wesen führte ihn zum Studium der Theologie und in Wien empfing er 1929 die Priesterweihe.

Raimund Weißensteirrer ist nicht nur Prediger, sondern vor allem Sänger Gottes geworden. Ihm wurde das große Geschenk des Schöpfers zuteil, geniale musikalische Begabung. Seiner künstleriscnen Ausbildung diente das Studium bei Hofrat Franz Schmidt, sein Feld wurde die symphonische Musik. Obwohl er kaum vier Jahrzehnte seines Lebens überschreitet, vollendet er eben die sechste Symphonie. Eine besondere Stellung nehmen unter seinen Werken außer den Symphonien ein Flöten-Cembalokonzert, die „Hymne an den Heiligen Geist“, und das Lied für Sopran und Orchester: „O nun Liebe, du!“, ein. Außerdem harrt sein jüngstes geistliche Texte verwendendes Werk: „Lieder eines Gefangenen“ der Uraufführung. Erwähnt seien auch seine Messen und Orgelwerke. In seinen fünf Konzerten, die er selbst dirigierte, dankte ihm ein begeistertes Publikum mit rauschendem Beifall, mit Blumen und mit Kränzen. Wer eines dieser Konzerte erleben durfte, wird nie wieder vergessen können. Weißensteiners hagere, große Gestalt mit. dem wallenden Talar am Dirigentenpult! Mit elastischen Bewegungen führt er den Strom der Musik, es ist ein Schwingen und Verhalten und das Orchester lebt und atmet mit ihm. Durch seine Symphonien raunt der Wald seiner Heimat, lachen und weinen ihre Menschen, kollert die Quelle, sprudelt der Bach, rauscht der Strom, braust die Orgel des Sturmes, wirft sich der silberne Gesang einer übervollen Seele wie die Lerche in den Himmel. Der Stil seiner Musik ist auf dem Wege über Bruckner und Franz Schmidt eigenwillig geworden und gereift. Die Formen sind streng gebaut, sie halten das wehmütige Adagio, das feierliche Andante und das schäumende Prestissimo zu einem überdimensionalen Werk zusammen.

Die vergangenen Jahre haben eine große, schmerzliche Unterbrechung in Weißensteiners lauterem Schaffen gebracht. Am 16. September 1943 wurde er von der Gestapo verhaftet und seiner österreichischen Gesinnung wegen, die er immer frei und offen zur Schau trug, eingekerkert. Er hatte im Gefängnis Göllersdorf bei Stockerau Unmenschlichkeiten und Demütigungen genug ertragen müssen Wie durch ein Wunder ist er dem Todesurteil entgangen und konnte als Befreiter im April 1945 heimkehren. Diese schweren Jahre • haben jedoch Raimund Weißensteiner nicht brechen können, das Feuer der Erlebnisse hat ihn in Angst und Not gehärtet. Mit lebensfrischem Temperament und kaum getrübtem Humor ist er wieder unter uns. Unversiegbar scheint seine Schaffenskraft zu sein. Er wirkt derzeit als Professor für Harmonie- und Formen-

lehre an der Staatsakademie für Musik. Wie durch gewaltsam geöffnete, unsichtbare Schleusen fließt ihm nunmehr ein neuer, mächtiger Melodienstrom zu und es ist zu hoffen, daß er der Musikwelt und vor allem uns Österreichern noch viel Wertvolles schenkt“

Eine katholische Schauspielgemeinde

Am Ausgang des Mittelalters, um das Jahr 1400, wurde nicht nur der deutschen, sondern der europäischen Literatur eines ihrer kostbarsten Werke geboren: des Johannes von Saaz Streit- und Trostgespräch „D er Ackermann und der Tod“, Die Wucht und die seelische Tiefe der Spätgotik wird in dieser erschütternden Zwiesprache der menschlichen Kreatur mit dem Tod sichtbar und neben der Philosophie des Nikolaus Cusanus dürfte es wenige Zeugnisse für das seelische und geistige Ringen des Spätmittelalters geben von der seelischen Größe der Dichtung des Johannes von Saäz.

Wenn die katholische Schauspielgemeinde der St. - Stephans-Spieler, die unter dem Protektorat des Kardinals Erzbischof Dr. Theodor Innitzer steht und die in diesen Tagen zum ersten Male vor cMe Öffentlichkeit getreten ist, den „Ackermann und den Tod“ in den Mittelpunkt ihrer ersten Lesefeier stellt, die am kommenden Dienstag im Thomas-Saal der Dominikaner staatfinden wird, dann zeugt die getroffene Wahl am besten für das künstlerische Wollen der jungen Schauspielgemeinde. Schon das Programm der Eröffnungsakademie der St.-Stephans-Spieler, das Szenen aus zweien der bedeutendsten Werke Calderons, dem „Wundertätigen' Magus“ und dem „Großen Welttheater“ brachte, ließ die Linie erkennen, die sich die St.-Stephans-Spieler gestellt haben. Die kommenden Leseaufführungen des „Ackermanns“ werden den Beweis zu erbringen haben, wie weit Wiens jüngstes katholisches Theater den Bogen seines Wollens und seiner Darstellungen zu spannen vermag. Wien dürfte auf jeden Fall um eine Theatertruppe reicher geworden sein, die bestrebt ist, eine Zelle echter, aus katholischem Geist geborener' Theaterkultur zu bilden.

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