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Brucknertage in Oberösterreich

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Gewiß: man kann auch Feste um Bruckner veranstalten. Das tat die Internationale Bruckner-Gesellschaft seit 1931; das siebente Bruckner-Fest fand vor 19 Jahren in Wien, das zehnte im Jahre 1952 in Linz und St. Florian statt — dazwischen lag die Ausprägung eines „Großdeutschen Bruckner-Festes“ 1939. Aber vor den internationalen Festen standen die sogenannten Stiftungskonzerte der Jahre 1898 bis 1920, abgehalten nach einem Beschlüsse des Linzer Gemeinderates vom 10. März 1897, die Musik Bruckners dem Volke nahezubringen. Es war daher ein schöner Gedanke, an den Beginn der Konzertzeit diese Brucknertage zu stellen, die keine gesellschaftlichen Sensationen, keine Starparaden, sondern Einkehr versprachen, eine Feier des Herzens allein, eine Festigung des Glaubens an das ewige Schöne und Gute, ein Trost für alle Bedrückten und Geängstigten und eine Lehre für die musikliebende Jugend.

Diesem Geiste ging schon der Vortrag des Universitätsprofessors Hofrat Dr. Nowak nach, der am 16. September vor der Aufführung des Streichquintetts von Bruckner sprach. Am gleichen Tage, nachmittags, begann in der Stadtpfarrkirche der

Oberösterreichisclie • Orgel - Improvisations - Wettbewerb, zu dem mehr als ein Dutzend Bewerbet gemeldet hatten. Am Samstag dirigierte Dr. Volkmar Andreae (Zürich) an der Spitze der Wiener Symphoniker die Fünfte Symphonie. Man hat kritisiert, daß vorher das Violinkonzert in D von Beethoven erklang (übrigens von Boskovsky ohne billige Senti-ments gegeigt); aber man mußte den Schauwilligen, den Quantitätshörern, einmal eine kleine Konzession machen. Später werden sie darauf warten müssen. Das Konzert in der Diesterwegschule (einem riesigen Turnsaale — denn noch hat Linz kein zentrales Konzertgebäude) war seit langem ausverkauft, und vergeblich drängten sich vor den Eingängen unverbesserliche Optimisten. Interessant, wie in diesem Zweckraum die Blechbläser zur Geltung kamen, für die man anderwärts glaubte, eigene Chöre aufstellen zu müssen. Dr. Andreae ist genugsam als Bruckner-Dirigent gerühmt worden; es erübrigt sich jedes Wort. An zehn Minuten lang brauste der Beifall.

Sonntag, bei strahlender Sonne, nach St. Florian. Der Münchner Singverein, Sudetendeutscher Chor (Dirigent Franz Seemann) — eine ausgezeichnet disziplinierte und homogene Gemeinschaft — brachte die e-moll-Messe Bruckners, dieses Widmungswerk für den Bischof Rudigier aus der Zeit der Ersten Symphonie. Wieder einmal (wenn das nötig war) erwies es sich, daß nur der sakrale Raum und nur der Rahmen der kirchlichen Zeremonien die Musik der Messe zur Geltung bringen können. Dasselbe gilt für “das Tedeum, das am Nachmittag des Sonntags zu hören war (Bruckner-Chor, Linz, Orchester des Landestheaters, Dirigent Ludwig Daxsperger). Selten war das „Pleni sunt coeli et terra“, das „Tu patris sempiternus“ so zu hören wie diesmal, und vollends das „Non confundar“ war von grandioser Wirkung. In diesem Augenblicke fielen die Strahlen der untergehenden Sonne über die Seitenemporen des Carlone-Baues.

Das Licht der Musikbegeisterung lebte in den Herzen der Orgelpreisspieler am späten Nachmittag. Es war zu erwarten, daß keiner der drei Schlußbewerber für den ersten Preis in Betracht kam — dazu fehlte ihnen die Kunst der entwickelnden Ideen, die Einordnung des Improvisatorischen in das musikalische Gesetz. Aber auch der zweite Preis kam nicht zur Verteilung. In den dritten teilten sich Josef Friedrich Doppelbauer (Wels) und Josef W e r n d 1 (Mattighofen).

Dann erlosch das Sonnenlicht auf den Turmspitzen und die Krismann-Orgel, auf der Bruckner zum letzten Male am Ostersonntag 1894 gespielt hat, schwieg.

Nicht erlöschen wird die Sonne des Erlebnisses für alle, die Bruckner dienten, und tönen wird die Orgel von St. Florian in den Herzen all derer, die Gäste waren.

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