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Anton Bruckner zu Ehren

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Für Gott und die Welt", so lautet beziehungsvoll das Motto des Internationalen Brucknerfestes 1996, das in Linz am 7. September startete und bis zum 30. September die oberösterreichische Landeshauptstadt zur Festspielstadt erhebt. Für Gott und die Welt kann nur ein Brucknerfest gemacht werden. Anton Bruckner widmete seine ergreifende, als Torso hinterlassene neunte Symphonie bekanntlich dem lieben Gott, sein Werk gehört der Welt. Für drei Wochen darf es Linz mit besonderer Intensität für sich beanspruchen. Das Brucknerfest hat sich in seinem 22jährigen Bestehen fest etabliert im internationalen Festspielkalender und behauptet in mancher Hinsicht seine unanfechtbare Eigenständigkeit. Allein durch die „Klangwolke" über dem landschaftlich attraktiven Donaupark ist das kulturelle Ansehen von Linz beträchtlich gestiegen, Linz als Brucknerstadt berühmt geworden. Gleich zweimal wird die Klangwolke zum Weekend des Festbeginns, nämlich als klassisches und visualisiertes Erlebnis, angeboten. Und den ehrgeizigen Oberösterreichern ist dafür nichts zu teuer. Über sechs Millionen Schilling wurden heuer in das multisensuelle Spektakel investiert, um Roland Baumgartners Natur- und Weltsinfonie „Symphonia Globalis" mit den vier Elementarsätzen Erde, Wasser, Feuer und Luft, eine neue intelligente Collage des St. Pöltner Filmmusikspezialisten, technisch überdimensional, leider auch banal bis naiv, zu bebildern. Immerhin pilgerten trotz des feuchtkalten Wetters Zehntausende Schau- und Hörlustige zu beiden Donauufern und folgten der Erschaffung der Welt via Klangwolke in einem (dem angeblich größten der Welt) auf Schiffskähnen als Bühne montierten Luftballon von 22 Meter Durchmesser. Da konnte verständlicherweise Bruckners „Neunte" mit dem vermächtnisgetreu angefügten Te Deum als Schlußsatz als klassische Klangwolke ohne Bildershow nicht mithalten.

Übrigens die „Klangwolke" hat nicht Linz erfunden, sondern mit klu -gern Geist für sich entdeckt. Schon 1865 hatte Franz Liszt in Rom seine „Dante-Sinfonie" vor dem Hintergrund von Buonaventura Genellis Bildern zur „Divina comedia" aufführen lassen. Zwei Jahre zuvor wurde in einem Düsseldorfer Konzert Beethovens „Pastorale" von Landschaftsmalern eines dort ansässigen Kunstvereins „illustriert". Und in Wien versuchte man 1914, Brahms-Kompositionen gemeinsam mit Max Klingers in Lichtbildern vorgeführter „Brahms-Phantasie" zu spielen.

Nicht nur die Klangwolke, auch Bruckners Symphonie Nr. 9 sollte beim Fest zweimal gespielt werden. Der jüngst verstorbene charismatische Bruckner-Apostel Sergiu Celibi-dache ließ jedoch Martin Sieghart mit der „Neunten" vom Bruckner Orchester allein; sein Konzert im Festpro gramm wurde ersatzlos gestrichen.

Dieses ist heuer nicht zufällig ganz auf Bruckner zugeschnitten, dessen Todestag sich am 11. Oktober zum 100. Male) ährt. Außerhalb des Bruck -nerhauses, aufgeteilt auf die Stiftskirchen St. Florian, Wilhering, auf den Neuen und Alten Dom als ehemalige Wirkungsstätte Bruckners werden neben den Chorwerken, Orgelstücken und der Kammermusik alle neun Symphonien aufgeführt, und zwar in den gängigen Fassungen, mit denen, deren Bearbeitungen und Vollendungen sich ein eigenes Symposion (25. bis 29. September) beschäftigt. Spitzenorchester und prominente Dirigenten werden durch ihre sicher divergierenden Auffassungen und Auseinandersetzungen zu Vergleichen anregen. Diese Möglichkeit einer geballten Bruckner-Ladung ist sicher nicht alltäglich und sorgt für einen zusätzlichen Reiz des Brucknerfestes 1996.

Nach Wolfgang Sawallisch „Sechster" (11. September) widmet sich der neue ORF-Symphonieorchesterchef Dennis Russell Davies der „Ersten" (13. September), derNoch-Musikchef der Leipziger Kurt Masur der „Siebenten" (14. September) und „Dritten" (15. September), Kurt Sanderling mit dem Philharmonia Orchestra London der populären, romantischen „Vierten" (18. September), Lorin xMaazel, bis 2002 Chef des BR-Sym-phonieorchesters München, der monumentalen „Fünften" (24. September) und der Weltklassecellist Heinrich Schiff, dessen Ausflüge ins Reich der Stabführer noch immer skeptisch verfolgt werden, der „Zweiten" von Bruckner (28. September). Höhepunkte verspricht Bruckner in St. Florian, wo der Formfanatiker und Analytiker Pierre Boulez mit den Wiener Philharmonikern zweimal die „Achte" dirigiert (21. und 22. September).

Gespannt darf man auf eine Bruckner-Oper sein mit dem Titel „Geschnitzte Heiligkeit" in einer Produktion des Klangforums Wien (17. bis 22. September). Die sensationelle Novität (die Pressekonferenz schockierte durch die Verteilung von Kondomen) stammt von Peter Androsch (Libretto Harald Kislinger) und behandelt pro-vokativ „Anton Bruckner und die Frauen". Auf eine sicher würdigere Art wird die Kirchenoper „La Rappresen-tazione die Anima e di Corpo" von Emilio de Cavalieri in der Ursulinen-kirche dem Brucknerfest gerecht werden (12., 14., 16., 18. 20. September). Als Schlußattraktion steht traditionell eine konzertante Wagner-Oper am Programm, diesmal „Parsifal", als Gastspiel des Opernhauses Zürich unter Franz Welser-Möst mit Peter Seif-fert als besonders zugkräftiger Star in der Titelrolle.

Das Linzer Fest wird den Bruckner-Auftrag erfüllen, die Konzeption ist gelungen. Mußte da unbedingt noch krampfhaft in die Ideenkiste gegriffen werden mit den beiden Klimt-und Schiele Gemälden als Ijeihgaben der Leopold Museum-Privatstiftung, eine ohnehin ziemlich platzbeengende Behübschung im Stifterfoyer des Brucknerhauses, für die - kaum die festliche Atmosphäre berührend - die Bilder wahrlich zu schade sind.

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