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Überraschungen und lange Abende

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Das Linzer Brucknerfest ist voller Überraschungen. Selbst die Absagen von Prominenten haben unerwartet positive Ergebnisse gebracht. Den einzigen Orgelabend bestritt Pierre Cochereau von Notre Dame in Paris mit Werken, die sich für das Flentrop- Instrument im Brucknerhaus nicht am besten eignen. Wie schön, daß er auch über zwei Brucknerthemen improvisiert hat. Einen authentischen Beethoven spielte das Sonnleitner- Quartett der Münchner Philharmoniker in der restaurierten Stiftskirche Wilhering, deren Hallenakustik mit Einfühlung begegnet wurde.

Erstmals nach St. Florian führte das Brucknerfest zu einem Chorkonzert der Regensburger Domspatzen in der Stiftskirche. Die klanglich reizvolle Mischung der von Georg Ratzinger geleiteten 36 Knaben- und 20 Männerstimmen gefiel bei den alten Meistern ebenso wie bei den einstigen „Rivalen” .Brahms und Bruckner, von dem die gefürchteten Motetten selten in dieser Intensität an Ausdruck und Hingabe zu hören waren.

An die stereotype Koppelung Bruckner - Beethoven hielt sich Theodor Guschlbauer auch bei seiner dritten Festspielmitwirkung mit dem Brucknerorchester: Der erst 24jährige Gerhard Oppitz aus Deutschland, in letzter Zeit begehrter Einspringling für Alexis Weissenberg, spielte an dessen Stelle sensationell gut Beethovens 4. Klavierkonzert in Konfrontation mit Bruckners überdimensionaler „Fünfte”. Dem blendend disponierten OR- chester ist bei Guschlbauers ballastloser, unpathetischer Deutung beinahe das Phänomen eines profilierten Brucknerklanges gelungen.

Unvergeßlich bleibt der Abend des 74jährigen „klassischen” Pianisten Claudio Arrau, nicht restlos beeindruckt haben hingegen die Beethoven-Interpretationen von Klaviermusik durch das Wiener Kammerensemble. Der phüharmonische Glanz gelangte erst im populären Septett op.20 zur Wirkung.

Das zweite Chorkonzert an der Brucknerstätte absolvierte der von dem Fortner-Schüler Hans Rudolf Zöbeley geleitete und weder auf A- cappella-Gesang noch auf Motetten spezialisierte Münchner Motettenchor. So wurden die alten Chöre von Bläsern begleitet, und erst bei Hugo Wolf und Bruckner durfte das Ensemble außer seinem betont weichen Chorklang auch seine Intonationsstärke beweisen. Die von A. F. Kropfreiter eingestreuten Stücke auf der Brucknerorgel hätten erweitert besser ein Konzert für sich ergeben. Aber die ausgiebigen Programme und langen Abende scheinen heuer eine Brucknerfest-Spezialität zu sein.

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