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Solid und tüchtig

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Im Mozartsaal des Konzerthauses gab Elisabeth Grümmer, die mit Recht gefeierte Mozartinterpretin vieler Opernhäuser, einen Liederabend. Statt des angekündigten Hugo-Wolf-Programms mußte sie, wegen plötzlicher Erkrankung ihres ständigen Begleiters, eine ziemlich klischeemäßige Vortragsfolge wählen: je eine Liedgruppe von Mozart, Schubert, Brahms und Wolf. Hierfür hatte sie Kurt R a p f als Partner gewonnen. (Aber gibt es in ganz Wien keinen Pianisten, der auch das vorgesehene Wolf-Programm bewältigt hätte?). Was wir von Frau Grümmer hörten, war sehr kultiviert, sehr gekonnt und von manchmal geradezu klassischer Ausgewogenheit in Tongebung, Ausdruck und Vortrag. Was ihr als Liedersängerin, soweit es nach diesem Programm zu beur teilen war, fehlt, ist das Faszinierende, das Interessante, so daß man von ihrer Leistung mehr befriedigt als begeistert war. (Das gilt aber eigentlich nur für den Kritiker und nicht für das Publikum, das der beliebten Sängerin lebhafte und langdauernde Ovationen bereitete).

Ähnlich war es bei zwei knapp aufeinanderfolgenden Quartettabenden. Im Mozartsaal spielte das Wiener Konzerthausquartett Werke von Cesar Franck, Debussy und Ravel. Auf die Wiederbegegnung mit Francks selten gespieltem f-Moll-Quintett (Klavier: Eduard Mrazek) hatte man sich vergeblich gefreut. Das zwar gutklingende, meisterhaft gemachte Stück erweist sich als recht langatmig und konventionell, die 80 Jahre seit seiner Entstehung sind ihm schlecht bekommen. Die beiden Großmeister des französischen Impressionismus haben nur je ein Streichquartett geschrieben: das von Debussy wurde 1898, das von Ravel zehn Jahre später vollendet. Aber gerade bei diesen Werken zeigten sich die Mängel eines Ensembles, von dem wir bemerkenswerte Schubert- und Pfitzner-Interpreta- tionen gehört haben. Zwar wurden alle Stücke des Programms technisch „bewältigt”, aber es fehlte jener Glanz, jenes Irisieren der Klangfarben, jene Oberflächensensibilität, die diese Musik nicht entbehren kann.

Die Stücke, die das Wiener Philharmonia-Quartett für seinen Abend im Brahmssaal gewählt hatte, waren in dieser Hinsicht weniger heikel: Streichquartette von Dvorak (Es-Dur) und Kaufmann (Nr. 1 op. 4) sowie das Streichquintett C-Dur von Schubert (op. 163). Was wir hörten, klang solid und tüchtig. Aber höhere Ansprüche, die man an eine öffentliche Wiedergabe stellen m”ß. konnten nicht befriedigt werden. Dafür fehlten — hier und dort, im Mozartsaal — einfach die Voraussetzungen. Die Kunst des Streichquartetts ist anderwärts hochentwickelt, und wir dürfen, wollen wir nicht in Provinzialismus verfallen, von den entsprechenden Maßstäben nicht abrücken. Die uns bekannten Quartette von internationalem Ruf sind durchweg professionelle Ensembles, die . sich, in monatelangen Proben und in jahrelanger Zusammenarbeit, ausschließlich dieser hohen Kunst widmen. So das Pascal- und das Lasalle-Quartett, das Ungarische und das Budapester, das Vegh- und das Loewenguth-Quartett, das Borodin- und das Juilliard-Quartett. Anders geht es wohl nicht …

Gern gesehene und immer wieder lebhaft gefeierte Gäste sind in Wien, wo sie erstmals vor drei Jahren konzertierten, die „M u s i c i di Roma”, ein aus zwölf, Spielern bestehendes Ensemble meist .jüngerer Musiker, die als Interpreten vor allem der Musik ihrer Landsleute Pergo- lesi, Vivaldi, Corelli, Giordani und anderer einen internationalen Ruf haben. Wenn gut ausgebildete italienische Musiker (Instrumentalisten oder Sänger) italienische Musik interpretieren, so kann kaum etwas schiefgehen. Da aber diese neun Herren und drei Damen so weit Virtuosen ihres Instruments sind, daß jeder Spieler auch als Solist hervortreten kann, und da jedes der vorgetragenen Stücke bis ins blitzende Detail geprobt ist, entsteht jener Gesamteindruck, der am Ende der Darbietungen echte, wohlmotivierte Begeisterung auslöst. Diese Musid können es sich leisten, Barockmusik völlig unstilisiert vorzutragen, als sei es Musik von heute. Das taten sie auch mit der erstaunlichen IX. Streichersymphonie des vierzehnjährigen Felix Mendelssohn. Und sie spielten die Rumänischen Volkstänze von Bartok wie die Musik eines Klassikers. Dies Beispiel und Rezept kann zur Nachahmung bestens empfohlen werden. Nebst vielen Details, wie den langsamen Trillern, den organischen Schlüssen, den vollausgenütz- ten großen Bögen, die alle führen, und anderes mehr.

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