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Rathaushof und alte Paläste
Für die vielen auswärtigen Besucher Wiens, die mit dem Namen dieser Stadt das Schwingen einer melodischen Atmosphäre verbinden, stellen in der sommerlichen Zeit die Konzerte im Arkadenhof des Neuen Wiener Rathauses und die Abendkonzerte in Wiener Palais einer Bereicherung des Programms dar. Das Amt für Kultur und Volksbildung der Stadt Wien verfolgt auf zwei verschiedenen Linien das gleiche Ziel: gute alte und neue Musik zu bieten und bei der Ausführung zudem jungen, aufwärtsstrebenden Künstlern eine Chance zu geben.
Im Arkadenhof sind die Ergebnisse doppelt bedeutsam. Erstens, weil es zumeist zwei- bis dreitausend Zuhörer sind, die kommen; zweitens, weil der wirklich volkstümliche Preis — kaum dem einer mittleren Kinokarte entsprechend — die Möglichkeit eröffnet, Musik aller Zeiten ins Volk zu tragen. Das erste Konzert unter Michael Gielen brachte Händels Ouvertüre zur Feuerwerkmusik, Haydns Symphonie Nr. 98, Tschaikowskijs „Romeo und Julia“, zuletzt die „Zweite“ von Brahms, dazwischen als moderne Visitenkarte „Mouvement“ von Spitzmüller. Da Arkadenkonzerte oft zugleich Wetterberichte sein müssen, kann man nicht verschweigen, daß der heftige Wind manche orchestrale Feinheit verwehte. Tschaikowskij und Spitzmüller kamen noch am besten weg. Bei dem zweiten Konzert, das wie das erste von den Wiener Symphonikern gespielt wurde, dirigierte Karl E 11 i gleich eingangs ein Werk aus eigener Feder. Diese „Festliche Musik" ist thematisch gut gegliedert, farbig instrumentiert, aber etwas zu umfänglich. Der erste- Mephistowalzer von Liszt ist keine Musik für Freiluftkonzerte, ebensowenig Mendelssohns Ouvertüre zur „Schönen Melusine“. Recht gut gelang dem trefflich disponierten Orchester die zarte Impression des Russen Anatolij Ljadow: ,Der verzauberte See“. Das dritte Konzert opferte den klassischen Operettengöttern (Großes Funkorchester, Dirigent Max Schönherr), wobei zuweilen die Tempi zu wünschen übrigließen. Einen deutlichen Erfolg buchte Miltiades C a r i d i s mit Einems „Capriccio“, das straffe Rhythmik kennzeichnete. Die „Dritte“ von Beethoven zerbröckelte ziemlich unheroisch.
Die Chance der jungen Interpreten wahrte bereits beim ersteh Palaiskonzert (Haus Lobkowitz) der Flötist Werner Tripp. Er hat Blavets 4. Sonate sauber, das Concertino von Chaminade virtuos geblasen. Sein Klavierbegleiter, Eduard M razek, zeigte sich als Solist, besonders in der Moderne, bei Ravel daheim. Auch Walter Groppenberger und Günther Pichler bewiesen im Palais Lobkowitz ihr Können als junge Nachwuchs-
künstlet. Des Pianist Groppenberger verfügt über reinen, wandlungsfähigen Anschlag, der Geiger Pichler hat urspüngliche Musikalität. Er müßte nur etwas von seinem herben Strich abgeben.
Prominente Namen! Den Anfang machte Christi Goltz im Palais Schwarzenberg mit ihrer „Brahms- Lieder-Symphonie“. Dreiundzwanzig Gesänge in vier Sätzen, mit einem Prolog. Das ging nicht ganz ohne Gewalt ab, man konnte nirgends die Opernsängerin verkennen, aber überall waltete künstlerischer Ernst und feinste Abstufung des Vortrages. — Im Saal der Akademie der Wissenschaften: Die zweite prominente Visitenkarte, abgegeben von Julius P a t z a k (Lieder vön Schubert, Brahms und Hugo Wolf). Im Vordergrund der Gestaltung stand die konzentrierte Erfassung der dichterischen Wortgehalte. Walter Klien am Klavier war ein idealer Mitgestalter, was man von Theodor Schenk, dem Partner Christi Goltz’, beim besten Willen nicht behaupten konnte. — Die Brasilianerin Maura Moreira brachte im Auerspergpalais in echtem Belkantostil alte italienische Arien, dann geschmackvoll drei Schubert-Lieder und bei uns nahezu unbekannte interessante brasilianische Volks- und Kultlieder. Im Palais Rasumofsky bewies Paul Angerer mit dem Wiener Kammerorchester, daß es nicht bloß ein Barock mit hohen Perücken der Würde gibt, sondern auch ein Barock voll Schelmerei. (Solisten mit Blockflöte: Karl Trötzmüller, Gertraude Kubacsek, Paul Angerer; Gesang: Edith Urbanczyk.)
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