Werbung
Werbung
Werbung

ÖVP, SPÖ und Grüne haben kürzlich im oö. Landtag einen Beschluss für den seit Jahren heftig diskutierten Bau eines Musiktheaters in Linz gefasst. Dennis Russell Davies, Chefdirigent des Linzer Bruckner Orchesters, sprach mit der Furche über dieses Projekt und sein Selbstverständnis als Musiker.

Die Furche: Mr. Davies, jetzt liegt endlich ein gültiger Landtagsbeschluss vor, mit dem sich wieder jene Perspektive eröffnet, die für Sie mitbestimmend war, nach Linz zu gehen: ein modernes Musiktheater. Allerdings: Ihr Vertrag endet mit 31. August 2007, und zu diesem Zeitpunkt kann es wohl kaum schon fertiggestellt sein. Unter welchen Voraussetzungen, vor allem der künstlerischen Möglichkeiten, könnten Sie sich eine Vertragsverlängerung vorstellen?

Dennis Russell Davies: Die einzige Basis ist, dass beide Seiten das wollen. Aber wir alle hoffen, dass die Zusammenarbeit so fruchtbar ist, dass wir sie fortsetzen können. Aber das ist noch Zukunftsmusik, doch der erste, der das erfährt, ist der Landeshauptmann. Was die künstlerischen Möglichkeiten für großartiges Theater anbetrifft, die sind schon da: mit dem Bruckner Orchester im Konzertleben in Linz, mit dem Ensemble, das wir im Haus haben, mit dem Opernchor und dem Orchester; was fehlt, ist ein Haus.

Die Furche: Kritiker fragen, ob denn jede Landeshauptstadt ein Opernhaus brauche. Wie würde Ihre Antwort ausfallen?

Davies: Was mich nach Linz und Oberösterreich gezogen hat, war nicht zuletzt das überwältigende Interesse an Musik und Kultur in diesem Land mit seinen vielen Musikschulen und den Tausenden Musikstudierenden. Ich glaube daher, die Bevölkerung verdient ein Opernhaus, denn es ist ein großer Bestandteil des Kulturlebens. Und es ist nicht nur ein plastisches Aushängeschild für die ganze Region, sondern ein Symbol, das - wie das Lentos oder das Brucknerhaus - sehr weit über die Grenzen unseres Landes trägt.

Die Furche: Ihr Programm lautet "Klassik neu denken". Können Sie das näher erklären?

Davies: Da sind drei Aspekte, die mich bewegen. Einmal das geliebte Repertoire der Vergangenheit: wie wird es präsentiert, wie gehört, in welchen Umrahmungen und mit welchen neuen Erkenntnissen, die man in eine Wiedergabe einbringen kann? Ein anderer Aspekt ist natürlich die Neue Musik: wie kann man sehen, dass unsere Tradition fortgesetzt wird und dass die Komponisten Anteil haben an einem Musikleben von heute? Das heißt, sie gehören körperlich in den Konzertsaal. Und drittens: die Zusammenstellung des Programms. Wie kann man Alt und Neu verbinden, wie das Publikum gewinnen, neue Wege mitzugehen? Ich bin sehr erfreut über die Akzeptanz beim Publikum, aber auch seitens der Künstler, die dabei mitmachen. Denn es braucht eine gewisse Neugierde, aber auch Intelligenz und vor allem Musikalität auf beiden Seiten, um so ein Programm fortzusetzen.

Die Furche: Ihr umfangreiches Repertoire als Dirigent inkludiert natürlich auch Anton Bruckner als Genius loci und Namenspatron des Orchesters. Ist er für Sie mehr als das? Gibt es da eine gewachsene Beziehung zu seiner Musik? Wann haben Sie Bruckner kennen gelernt?

Davies: Ich habe seit den achtziger Jahren hin und wieder Bruckner dirigiert, aber beschränkt auf seine 9., 7. und 1. Symphonie. Letztere in Wien mit dem RSO und sogar hier in Linz als Gast. Es ist eine wachsende Liebe, die ich jetzt empfinde. Bruckners Musik hat mir schon immer etwas gesagt, aber die Gelegenheit zusammen mit der Notwendigkeit sie aufzuführen, habe ich erst jetzt. Ich freue mich daher sehr, dass ich mich endlich mit dem Gesamtwerk Bruckners auseinandersetzen kann, und ich denke, ich bin jetzt reif genug dazu, dass ich das wirklich schaffe.

Die Furche: In Ihrer zweiten Saison als Chefdirigent des Bruckner Orchesters wird es sechs Uraufführungen und fünf österreichische Erstaufführungen geben, die Sie fast alle selbst dirigieren. Gibt es einige darunter, die Ihnen persönlich besonders wichtig sind?

Davies: Sie haben natürlich alle etwas für mich persönlich Wichtiges, denn ein bedeutender Aspekt meiner Arbeit ist die enge Nähe, in der ich mit einem Komponisten zusammenarbeiten kann. Das heißt, dass man zum Telefon greift und ihn zu seinem Werk befragen kann: Warum? Oder: Kann ich das so handhaben? Die meisten Komponisten der Gegenwart sind sehr pragmatisch. Die meisten Probleme haben wir mit den Komponisten der Vergangenheit. Das ist ein Verhältnis wie etwa zur Bibel. Wir sehen alles gedruckt, und wir sagen: "Aha, das ist so gemeint, und aus." Aber ich habe gelernt: Man kann nur so und so viel notieren. Dann aber muss die Seele und die Liebe zur Sache die Hauptrolle spielen, sei es bei Mozart oder Hans Werner Henze oder...

Die Furche: 20 Konzerte mit dem Bruckner Orchester, die zwei Produktionen am Landestheater (es feiert heuer sein 200-Jahr-Jubiläum; Anm.) mit den Dirigaten der Premieren und 18 Vorstellungen; dazu kommen noch Gastspiele mit dem Orchester im In- und Ausland, die Proben, Ihre persönlichen Gastdirigate und Konzerte als Pianist sowie Einspielungen auf CDs. Nicht zu vergessen, dass auch Ihre Familie mit Ihnen nach Linz gekommen ist. Wie teilen Sie sich Ihre Zeit ein?

Davies: Vor allem muss man sehr gute Mitarbeiter haben, und die habe ich. Ich habe ein sehr gut funktionierendes Büro beim Bruckner Orchester und meinen engsten Mitarbeiter seit fünfzehn Jahren. Entweder weiß der, was ich sagen will, oder er sagt, was er meint, dass ich sagen soll. Das heißt, er ist befugt, sehr oft für mich zu agieren, und das tut er ganz in meinem Sinne. Er ist auch kritisch, wenn es sein muss. Außerdem muss man Glück haben mit der Gesundheit - aber auch ein bisserl was dafür tun. Also mache ich regelmäßig Gymnastik und Yoga, und ich denke, ich esse und trinke gesund. Außerdem habe ich wunderbare Aufgaben, und ich glaube, das beflügelt, denn ich freue mich über meine Arbeit. Und wenn einmal der Stress etwas zu groß wird, erinnere ich mich einfach, wieviel Glück ich habe, so eine Position ausüben zu dürfen, wodurch alles viel leichter wird.

Die Furche: Sie sind überraschend schnell vom Linzer Publikum akzeptiert worden. Und ebenso schnell haben Sie die Sympathien Ihrer Orchestermusiker gewonnen. Es heißt, dass Sie sie zu motivieren verstehen, indem Sie ihnen das Gefühl geben, etwas wert zu sein. Wie vermitteln Sie das?

Davies: Ja, das kann man nur vermitteln, wenn man wirklich daran glaubt. Und was ich auch meinen Dirigierstudenten versuche zu vermitteln, ist: Es hat keinen Sinn, Dirigent zu sein, wenn man Musiker nicht schätzt und mag. Außerdem sehe ich im Orchester und im Opernhaus eine sehr hohe Qualität. Und es fällt mir nicht schwer, das zu zeigen; ich brauche dafür keine Show abzuliefern. Ich bin natürlich auch ein positiver Mensch, und ich gehe davon aus, dass jeder versucht, sein Bestes zu geben. Und wenn es jemand nicht tut, bemühe ich mich, die Gründe dafür herauszufinden, damit er oder ich etwas verbessern kann.

Die Furche: Wie man hört, will der ORF das Radiosymphonieorchester (RSO) Wien aus Kostengründen auslagern. Wie denken Sie als sein ehemaliger Chefdirigent darüber?

Davies: Ich denke, das wäre ein grober, großer Fehler. Der ORF hat meines Erachtens eine Verantwortung, auch der Musik und dem Musikleben gegenüber, dieses Orchester stark zu unterstützen. Immerhin waren wir in den kritischen Monaten nach den Nationalratswahlen vor vier Jahren das erste Orchester aus Österreich, das in den USA gastiert hat, wo wir viel Freundschaft und Sympathie errungen haben. Ich betone: Das Radiosymphonieorchester ist ein Aushängeschild, denn es spielt phantastisch, es pflegt die Neue Musik, die Musiker stehen voll hinter der Sache - und sie verdienen es wirklich, besser behandelt zu werden.

Das Gespräch führte Margret Czerni.

Dirigent und Pianist, Anwalt des Neuen

Dennis Russell Davies wurde in Toledo, Ohio, 1944 geboren und an der Juilliard School in New York zum Pianisten und Orchesterdirigenten ausgebildet. 1980 bis 1987 war DRD Generalmusikdirektor der Staatsoper Stuttgart, danach in Bonn bis 1995. Von 1996 bis 2002 war er Chefdirigent des Radiosymphonieorchesters (RSO) Wien. Seit 1. September 2002 ist Dennis Russell Davies Opernchef am Landestheater Linz und Chefdirigent des Bruckner Orchesters. Als solcher plädiert er entschieden für den Neubau eines Musiktheaters in der oö. Landeshauptstadt. Die Frage ist seit Jahren politisch heftig umstritten, letzte Woche haben ÖVP, SPÖ und Grüne einen Grundsatzbeschluss für ein "multifunktionales Theater des 21. Jahrhunderts" gefasst, die FPÖ lehnt einen Neubau ab und tritt für einen Aus- und Umbau des bestehenden Landestheaters ein. Bei einer von der FP initiierten Volksbefragung im November 2000 hatten sich 60 Prozent gegen einen Neubau ausgesprochen. Nach der Weichenstellung im Landtag soll nun bis 2004 die Standort- und Kostenfrage für das Musiktheater geklärt sein, am Horizont steht dabei auch das Ziel, 2009 "Europäische Kulturhauptstadt" zu werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung