Philippe Jordan - © Foto: Johannes Ifkovits

Philippe Jordan: „Man braucht Utopien“

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Philippe Jordan, der neue Musikdirektor der Wiener Staatsoper, spricht über die Zusammenarbeit mit seinem Direktor, die Rückkehr ­renommierter Dirigenten und einen neuen ­Mozart-Stil.

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Philippe Jordan, der neue Musikdirektor der Wiener Staatsoper, spricht über die Zusammenarbeit mit seinem Direktor, die Rückkehr ­renommierter Dirigenten und einen neuen ­Mozart-Stil.

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Seit Beginn der neuen Saison ist der aus einer Schweizer Künstlerfamilie stammende Philippe Jordan der neue Musikdirektor der Wiener Staatsoper. Die erste Premiere dirigierte er mit durchschlagendem Erfolg. Bis Sommer 2021 fungiert Jordan auch noch als Musikdirektor der Opéra National de Paris.

DIE FURCHE: Herr Jordan, im Juni hätten Sie mit Mahlers „Achter“ das Musikfest im Musikverein und Ihre Tätigkeit als Chefdirigent der Wiener Symphoniker beschließen sollen. Davor kam Corona, das betraf auch Ihre Aufgabe als Musikdirektor der Pariser Oper. Hätten Sie noch vor wenigen Wochen gedacht, dass Sie wie geplant als Musikdirektor die erste Premiere der neuen Direktion an der Staatsoper dirigieren werden?

Philippe Jordan: Wir können von Glück reden, dass wir die Saison in der Staatsoper überhaupt eröffnen konnten, mit all den Auflagen, die wir haben. Wir haben aber auch ein Orchester, das bereit ist, im Graben zu spielen und ohne Masken zu probieren. Das ist sonst nirgendwo auf der Welt möglich. Insofern kann ich von einem Zauber des Anfangs sprechen. Ich konnte in dieser Zeit die Zelte in Paris in aller Ruhe abbrechen, dann einen Monat ganz konzentriert nur „Butterfly“ proben und, durch die Umstände bedingt, sogar mit einem ausgeruhten Orchester, denn in Salzburg war diesen Sommer nicht so viel zu tun wie üblich.

DIE FURCHE: Sie sind diese Saison noch Musikchef an der Pariser Oper, nunmehr in dieser Funktion auch im Wiener Haus am Ring. Worin unterscheiden sich die beiden Häuser?

Jordan: Die einzigen Gemeinsamkeiten bestehen darin, dass es sich um sehr komplexe Opernhäuser handelt. Ansonsten ist Wien ein Repertoire-Theater, Paris ein Semi-­Stagione-Theater, die Wiener Oper besteht aus einem Haus, die Pariser aus zwei, dem alten Garnier und der neuen Bastille. Paris hat kein Ensemble – im Gegensatz zu Wien, das sind natürlich ganz andere Gegebenheiten. Der größte Unterschied für mich als Dirigent sind die Probenbedingungen.

In Paris haben wir de facto zwei Orchester, also ein großes Orchester, geteilt in die Blauen und die Grünen – das hat mit Politik nichts zu tun, sondern garantiert im Wesentlichen dieselben Musiker für eine Produktion. Zum Proben ist das sehr angenehm, der Nachteil sind sehr lange Serien, in denen man die Spannung durchhalten muss. In Wien habe ich ein sehr flexibles Orchester, allerdings mit vergleichsweise relativ wenig Proben, das aber sehr schnell reagieren kann, sehr wendig ist, im Gegensatz zu Paris mit ständig wechselnden Besetzungen. Für mich ist das ein Nachhausekommen in ein System, in dem ich aufgewachsen bin: am Stadttheater Ulm, an der Berliner „Lindenoper“, nicht zuletzt am Grazer Opernhaus.

DIE FURCHE: Wie ist in Wien die Zusammenarbeit mit dem Direktor geregelt, wer hat das letzte Wort in der Auswahl der Produktionen, bei Besetzungen? Das kann, wie die jüngere Wiener Staatsopernvergangenheit gezeigt hat, durchaus zum Zerwürfnis führen …

Jordan: Absolut, deswegen muss das von vornherein klar definiert sein. Wir haben uns darauf geeinigt, was uns wichtig ist, um eine gemeinsame Vision zu realisieren. Staatsoperndirektor bleibt Staatsoperndirektor, er hat das letzte Wort, er hat die Verantwortung, die habe ich nicht und will sie auch nicht. Als sein engster Mitarbeiter ist mir wichtig, dass wir wie ein Tandem über alles sprechen. Das betrifft nicht nur meine Stücke, sondern auch die Auswahl von Werken, Regisseuren, Sängern und, natürlich, Gastdirigenten bis hin zu außermusikalischen Postenbesetzungen im Haus. Wenn es sich nicht um eine meiner Produktionen handelt, bin ich beratend tätig.

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