„… die Sentimentalität dieser Musik“

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Dirigent Seiji Ozawa über den neuen Wiener „Eugen Onegin“, seine Lieblingskomponisten, ein Wunschprojekt, sein Engagement für Mendelssohn und philharmonische Einzigartigkeit.

Am 7. März hat an der Wiener Staatsoper Peter Iljitsch Tschaikowskys „Eugen Onegin“ Premi- ere. Am Pult steht der Musikdirektor des Hauses, Stardirigent Seiji Ozawa. Er leitete bereits vor 20 Jahren, im Mai 1988, eine umjubelte Premiere des Werkes im Haus am Ring mit Mirella Freni, Peter Dvorsk´y, Nicolai Ghiaurov und Wolfgang Brendel in der Titelpartie …

Die Furche: Maestro Ozawa, es ist zwanzig Jahre her, dass Sie mit „Eugen Onegin“ an der Wiener Staatsoper debütierten. War diese Neuproduktion Ihr Wunsch?

Seiji Ozawa: Ja, ich studierte damals die Oper, weil Mirella Freni und Nicolai Ghiaurov sie unbedingt mit mir machen wollten. Vorher kannte ich die Partitur nicht, es gab keine Möglichkeit, sie in Boston, wo ich damals Chefdirigent war, aufzuführen. Wir haben die Oper zuerst in Wien gemacht, später zusammen an der Scala, dann halbszenisch in Boston und in der Carnegie Hall in New York.

Die Furche: Wie würden Sie „Eugen Onegin“ charakterisieren?

Ozawa: Die interessanteren Herausforderungen für das Orchester finden sich in „Pique Dame“, deswegen hat sie mein Freund Mstislaw Rostropowitsch (russ. Cellist und Dirigent, † 2007; Anm.) immer Tschaikowskys Siebente Symphonie genannt. Im Mittelpunkt von „Eugen Onegin“ stehen die Arien, außerdem liebe ich die besondere Sentimentalität dieser Musik. Die Musik von „Pique Dame“ besitzt mehr russische Elemente, „Eugen Onegin“ ist romantischer, kokettiert mit französischem Flair.

Die Furche: Tschaikowsky hat „Eugen Onegin“ nicht als Oper bezeichnet, sondern als Lyrische Szenen. Ist das auch ein Ansatzpunkt für Ihre Interpretation?

Ozawa: Selbstverständlich. Es gibt nicht viel Handlung und erinnert in der Struktur sehr an Berlioz’ „La Damnation de Faust“, ein Stück, das ich gerne einmal an der Staatsoper machen wollte.

Die Furche: „Eugen Onegin“ ist eine Koproduktion mit der Tokyo Opera Nomori und war dort bereits zu sehen. Was können Sie uns über die Regie von Falk Richter verraten?

Ozawa: Richter ist ein sehr kluger Regisseur, wartet mit einer Reihe von Ideen auf, vernachlässigt aber keineswegs die Handlungsfäden. Die Personenführung ist sehr logisch. Es gibt auch unkonventionelle Momente in dieser durchaus modernen Szenerie – lassen Sie sich überraschen.

Die Furche: Wie hat das japanische Publikum diese Produktion, die mit einigen Adaptionen nun an die Staatsoper kommt, aufgenommen?

Ozawa: Sehr gut, denn sie ist niemals verrückt oder verfälscht das Stück, die Musik bleibt stets im Mittelpunkt.

Die Furche: Würden Sie Tschaikowsky als Lieblingskomponisten bezeichnen?

Ozawa: Zumindest als einen – von den Symphonikern zählt sicher Mahler dazu. Meine große Liebe in der Oper gehört nach wie vor Mozart: „Figaro“, „Don Giovanni“, „Idomeneo“, „Così fan tutte“. Für „Così“ und „Idomeneo“ hatte mich Karajan nach Salzburg eingeladen, bei „Don Giovanni“ durfte ich ihm assistieren, Ghiaurov war ein wunderbarer Gestalter der Titelpartie.

Die Furche: 2007 hatten Sie großen Erfolg mit „Tannhäuser“ in Paris, wäre das nicht auch etwas für die Staatsoper gewesen?

Ozawa: Ursprünglich gab es auch entsprechende Ideen, aber das hat sich dann zerschlagen. Robert Carsen führte Regie, Eva-Maria Westbroeck sang die Elisabeth, Beatrice Uria-Monzon die Venus, Stephen Gould den Tannhäuser. Im Sommer dirigiere ich in Florenz JanácÇeks „Das schlaue Füchslein“ in einer Koproduktion mit dem Saito Kinen Festival, wo es schon voriges Jahr auf dem Programm war. Inszeniert hat Laurent Pelly, ein Regisseur, der in meinen Augen das Zeug dazu hat, einmal in die Fußstapfen eines Jean-Pierre Ponnelle zu treten. Da wir bei diesem Festival nur alle zwei Jahre eine Oper aufführen, gibt es heuer Brittens „War Requiem“. Im Juli mache ich in einigen japanischen Städten mit meiner Orchesterakademie erstmals „Hänsel und Gretel“ mit Angelika Kirchschlager und Barbara Bonney.

Die Furche: Vor wenigen Wochen gastierten Sie bei den Berliner Philharmonikern, Ende der Saison dirigieren Sie, jeweils mit Mendelssohn, die Wiener Philharmoniker.

Ozawa: Anlässlich des Mendelssohn-Jahres habe ich in Berlin neben der Ersten Bruckner das g-Moll-Konzert von Mendelssohn mit Lang Lang aufgeführt, im Musikverein werde ich neben einem Stück von Takemitsu und Frank Martins Konzert für sieben Bläser, Pauken, Schlagwerk und Streicher die ganze „Sommernachtstraum“-Musik dirigieren, und zwar die reine Orchesterversion, in Matsumoto bringe ich sie mit Sprecher und Sängern. Davor bin ich für Mendelssohn nochmals bei den Berliner Philharmonikern – für „Elias“ mit Matthias Goerne.

Die Furche: Wie sieht es mit der zeitgenössischen Musik aus? Sie zählen zu den Dirigenten, die immer wieder Novitäten aus der Taufe heben …

Ozawa: Im Mai bringe ich in Paris mit Renée Fleming die beiden letzten der fünf Orchesterlieder zur Aufführung, die Henri Dutilleux im Auftrag des Orchestre National de France geschrieben hat, auch die drei ersten Lieder habe ich uraufgeführt.

Die Furche: Wie sieht ihre nächste Zukunft aus, gibt es Plattenpläne, werden Sie wieder ein Neujahrskonzert dirigieren?

Ozawa: Seit meiner Krankheit trete ich kürzer. Ich werde daher in meiner letzten Saison als Musikdirektor der Staatsoper keine Premiere dirigieren, aber einige Reprisen, und ich bleibe dem Haus auch in der kommenden Direktion erhalten, vielleicht für eine Neuproduktion, aber dafür braucht man Zeit, mindestens sechs Wochen. Es gibt Einladungen von der Met und der Scala, geplant sind Aufnahmen mit den Berliner Philharmonikern, die Fortsetzung des Mozart-Zyklus mit dem Mito Chamber Orchestra, Auftritte in Tanglewood und Boston. Das Neujahrskonzert 2002 habe ich genossen und jetzt auch wieder die „Fledermaus“-Ouvertüre beim Philharmonikerball. Ich liebe diese Musik, die Philharmoniker spielen das unvergleichlich, ich hoffe, das bleibt so. Sie haben es einfach im Blut, die anderen können es nur kopieren. Wir haben wieder über ein Neujahrskonzert gesprochen, aber so lange ich Musikdirektor bin, fühle ich mich nicht frisch genug für diese Herausforderung.

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