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Er setzte Maßstäbe

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Es gab und gibt nur wenige Dirigenten, die wie er im allgemeinen Bewußtsein klassische Musik verkörpert haben: Wie Gustav Mahler und Artūro Toscanini hat Herbert von Karajan als Künst- lervon epochaler Bedeutung die Musikszene geprägt, in manchen Fragen sogar Entwicklungen eingeleitet und musikalische Konsequenz diktiert. Von jahrelangen schweren Leiden gezeichnet, hatte er bis zuletzt Konzerte von unvergleichlicher Qualität dirigiert. Penibel, wie er in Musiktheaterfragen ein Leben lang war, wollte er auch jetzt bei der Salzburger Eröffnungspremiere mit Verdis „Maskenball“ nichts dem Zufall überlassen.

Der Planungsfanatiker Karajan hatte es während seiner sechzigjäh- rigen Tätigkeit immer so gehalten. Ähnlich diktatorisch in seinen Ansprüchen war wohl nur Artūro Toscanini. Wohl kaum wäre es Karajan sonst gelungen, für rund ein Jahrzehnt ein fast die ganze Musikwelt umspannendes Imperium zu gründen. Als Direktor der Wiener Staatsoper errichtete er gemeinsam mit den Salzburger Festspielen, der

Mailänder Scala und der New Yorker Metropolitan Opera eine Art totaler Opemverwertungszentrale, Wobei er gleichzeitig als künstlerischer Leiter der Berliner Philharmoniker auf Lebenszeit den Plattenmarkt beherrschte.

Als dieses Imperium 1964 nach seinem Abschied von der Wiener Staatsoper im Krach langsam zerfiel, schuf er sich in Salzburg ein neues Instrument, mit dem er seine Visionen von der perfekten Opem- produktion verwirklichen wollte: Die Salzburger Opernfestspiele, denen schließlich noch Salzburgs Pfingstkonzerte folgten, wurden zur Kultstätte hervorragender Richard- Wagner-Aufführungen, und zur Pflegestätte seiner speziellen, nicht zu Unrecht oft sehr hart kritisierten Opemästhetik.

Herbert von Karajan war, nach

Anfängen in Salzburg die deutsche Karriereleiter über Aachen und Ulm bis in die Spitzenposition der Berliner Deutschen Staatsoper auf gestiegen. Auch Jahre des Arbeitsverbots wegen NS-Mitgliedschaft konnten seinen Triumphzug kaum bremsen.

Karajan hat fast alles dirigiert. Unverwechselbar dirigiert Wagner, Strauss und Mahler, Verdi und Puccini, Bach, Haydn, Mozart und Beethoven, Schubert und Schumann, Strawinski und Schostako- witsch. Und immer mehr setzte sich bei ihm die Ansicht durch, daß jede Aufführung auch medial genützt werden müßte, weil erst so die Kosten für mehr Proben, für höhere Qualität sich amortisierten.

Das heißt, es gab bald kaum eine Opemproduktion oder ein Konzert, das nicht verfilmt, für die neueBild- platte oder für CD mitproduziert oder für Platten mitgeschnitten und in seiner eigenen Medienfirma Tele- mondial verwertet wurde. Was Karajan nicht nur vom Standpunkt technischer Qualität faszinierte, sondern auch zum Medienzaren und einem der reichen Männer Europas machte.

So hat Karajan ein gewaltiges künstlerisches Vermächtnis hinterlassen,’ das kommende Generationen als Maß höchster Qualität akzeptieren müssen. Man mag zu seiner Persönlichkeit gestanden haben wie man will: Die Leere, die sein Tod fürs erste bei den Salzburger Festspielen hinterläßt, wird lange spürbar bleiben. Trotz Namen wie Riccardo Muti, Seiji Ozawa, Claudio Abbado und LeonardBemstein, die sich dieses Erbe wohl teilen werden.

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