6819260-1973_25_21.jpg
Digital In Arbeit

Sein neues Bruckner-Bild

Werbung
Werbung
Werbung

Herbert von Karajans Rechnung, sich und Salzburg eine dritte Kara-jan-Saison zu bescheren und wieder das international glanzvolle Finanzpublikum der Osterfestspiele an die Salzach zu bringen, ist nun, beim Start der ersten Pfingstkonzert-serie nicht recht aufgegangen. Viele kamen zwar, aber zuletzt gab's dennoch genug Karten, weil ein reines Bruckner-Fest wohl nicht mit der Attraktion von Wagner-Festivals konkurrieren kann. Und so hört man intern bereits, daß das Unternehmen mit den Pflngstkonzerten 1974 möglicherweise ein rasches Ende finden wird...

Künstlerisch betrachtet, haben diese Konzerte freilich manche erfreulich Bilanz gestattet: Zum Beispiel, daß Karajan sich als Bruckner-Dirigent in den vergangenen Jahren bedeutend profiliert hat. Erinnert man sich seines Wien-Gastspiels mit den „Berlinern“ (Bruckners „Achte“) im Rahmen der Festwochen 1971, merkt man diese Neuorientierung, oder richtiger, die Konsequenz seines Entwicklungsgangs.

Karajan hat das Delikat-Raffinierte, das Parfüm seiner Bruckner-Interpretation abgestreift. Das Ergebnis — man konnte es gleich an der „Vierten“, „Fünften“ und „Achten“ und dem Tedeum testen — sind nun hart konturierte Wiedergaben voll geballter Kontrastentladungen. Den spätromantisch gedeckten weichen Klang von früher hat er beinahe ausgemerzt; das „Orchesterpedal“ verwischt nicht mehr. Blöcke stehen nebeneinander, oft nur noch vom Nachhall des Blechs gebunden. Pia-nissimo-Fortissimo-Kontraste spielt er mit ungewohnter Schärfe gegeneinander aus.

Immer wieder staunt man, daß in diesem Rahmen soviel kammermusi-

kalisches Spiel, das Pointieren solistischer Bravour möglich bleibt. Was freilich mehr am fabelhaften Training der Berliner Philharmoniker liegen dürfte, denn am Dirigenten: Zum Beispiel Flöte, Oboe, Horn werden von Phrase zu Phrase so differenziert eingesetzt, daß man einem Kammerensemble gegenüberzusitzen glaubt. Und der Gegensatz zu den bombastischen Orchestereruptionen wirkt da um so gewaltiger, erdrük-kender. (Beim Tedeum mit dem von Hellmuth Froschauer hervorragend einstudierten Wiener Singverein noch aggressiver als in den Symphonien!) Die Berliner Philharmoniker, die freilich manchmal von der Belastung der vielen Proben und Konzerte, zum Beispiel im Blech, überbeansprucht wirkten, exerzierten bis zum Siedepunkt erhitztes Spiel vor.

Bruckner unter Karajan: Das heißt also nun kein gläubig verinnerlich-tes Oeuvre, aber ein hochdramatisch gespanntes Klangereignis, gebändigt in beispielhaft schön proportinierten und streng kalkulierten Formen.

Schade, daß Karajan mit Mozart gewissermaßen „kein Glück“ hatte. Was Christoph Eschenbach, Justus Frantz und Karajan selbst (am dritten Flügel) etwa im „Lodron“-Kon-zert (KV 242) als Mozart-Stil offerierten, zwar doch ein wenig zu harmlos, zu leer-dekorativ ... Auseinandersetzung wurde durch eine sorgfältig geglättete Oberfläche verdeckt. Problematisch auch die Tempi und die Schwarzweißmalerei im Requiem, in dem überdies nur Edith Mathis und Horst Laubenthal entsprachen. Christa Ludwig, offenbar nicht gut disponiert, und vor allem Louis Hendrikx ließen viele, zu viele Wünsche offen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung