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Konventionelles?

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Halbzeit bei den Salzburger Festspielen, vor allem im Hinblick auf die großen. Orchesterkonzerte, in deren Rahmen sich bereits Karojan, Böhm, London-Symphony-Chef Andre Previn, Horst Setin, Sawal-lisch, Dohnanyi, Ozawa präsentiert haben. Natürlich mit den für Salzburgs Festspiele charakteristischen Programmen, das heißt mit Mozart im Ubergewicht und kleinen Absteche—n in die Romantik, zu Bruckner, Berlioz, Mendelssohn, Schubert... Ein Ausbrechen da und dort zu Weill oder gar zu Schostakowitschs „Achter“ (op. 45), einem bombastischen, patriotisch -partei tagsschwan -geren Stück, und seinem a-Moll-Violinkonzert (op. 99), wird vom Publikum, das Stars sehen und hören -will, nach wie vor mit eher gemischtem Gefühl hingenommen.

Dennoch: selbst im gern leichthin als „konventionell“ abgetanen Konzertbetrieb waren Ereignisse zu vermerken. Zum Beispiel die erste Begegnung Karl Böhms mit den „London Symphony“, einem Orchester mit technisch hervorragend trainiertem, im Klang weich timbriertem, aber auch glanzvoller Festlichkeit, ja metallischer Harte fähigem Bläserensemble. Gewiß, Böhm hat mit diesem Orchester mehr arbeiten müssen, als mit seinen Wienern, um eine solche „Zweite“ von Brahms zustande zu bringen. Aber der nicht endenwollende Beifall am Schluß

dieses fulminanten Konzerts bewies, daß es sich für beide gelohnt hatte: Böhm dirigierte jugendlich kraftvoll, wie man es schon lange nicht erlebt hat, das Orchester klang gelöster, in den Streichern intimer als selbst unter seinem Chef. Fragwürdig blieb die Aufführung des D-Dur-Violinkonzerts (KV. 271a), für dessen Autorschaft uns Mozart weniger denn je glaubwürdig scheint. Zuviel ist hier Geschmack von Anno 1800, zuviel leere Bravour der Viotti-Nachfolge, ganz zu schweigen von Enescus Kadenzen, die Fremdkörper bleiben. Einzig und allein der phänomenale Geiger Henryk Sze-rying machte mit einer souveränen Wiedergabe das Werk ertragbar.

Besonders interessant scheint uns übrigens die Aufführung von Bruckners „Siebenter“ unter Kara-jan; eine Wiedergabe, die von allen gängigen Interpretationsaspekten abgerückt ist: Naive Gläubigkeit, Erbe barocker Geistestradition, spätromantisch-pathetische Weltanschauung ... Das alles streift Kara-jan ab. Sem Bruckner ist „werkkritisch“ durchdacht, sachlich, modern; spröde, wie der Meister es in seinen ursprünglichen Fassungen sich wünschte. Spiel von Formen, Linien, Blöcken. Und die Wiener Philharmoniker bescherten mit ihm dieses aufregende musikalische Ereignis.

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