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Das Orchester dominiert

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Herbert von Karajans Reprisenfest, die siebenten Salzburger Osterfestspiele, sind, total ausverkauft, bis Ostermontag über die Bühne des Großen Festspielhauses gegangen: Beide Wiederaufnahmen, des fünf Jahre alten „Rheingolds“ (über das bereits berichtet wurde) und des „Tristan“ vom Vorjahr, haben erneut bestätigt, wie sehr der Maestro mit seiner Inszenierungsmanier im Grunde in die Enge geraten ist und dies vermutlich auch spürt.

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Herbert von Karajans Reprisenfest, die siebenten Salzburger Osterfestspiele, sind, total ausverkauft, bis Ostermontag über die Bühne des Großen Festspielhauses gegangen: Beide Wiederaufnahmen, des fünf Jahre alten „Rheingolds“ (über das bereits berichtet wurde) und des „Tristan“ vom Vorjahr, haben erneut bestätigt, wie sehr der Maestro mit seiner Inszenierungsmanier im Grunde in die Enge geraten ist und dies vermutlich auch spürt.

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Denn sonst würde er sich kaum von Jahr zu Jahr mehr auf die „symphonischen Qualitäten“ seiner Wiedergaben verlassen. Das heißt: Karajans Opernaufführungen werden immer mehr vom Orchesterklang her bestimmt, vom fulminanten Spiel der Berliner Philharmoniker, das er noch dazu nervös überhitzt, in Tempi und Dynamik gleichsam dem Siedepunkt zutreibt.

Auf die Sänger nimmt er dabei natürlich ,nur noch wenig Rücksicht. Und so haben beispielsweise Helga Dernesch (Isolde) und Jon Vickers (Tristan), zwei zu schlanke Stimmen, die sich gegen diesen Instrumentenschwall kaum behaupten, Probleme über Probleme. Sie forciert zuviel, was der Stimme an Wohlklang nimmt, er, ohnedies von Wohlklang weit entfernt, versucht zwar mit diskreten Mezza-voce-Mitteln die Gestalt „human“, also nicht opernhaft zu gestalten, wird aber dann doch wieder zum Schreien gezwungen. Als Brangäne präsentierte Karajan dies-

mal Ritza Baldani, nach Christa Ludwig im Vorjahr sicher kein Ersatz, ala Kurwenal Jef Vermersch, der zwar an einem durchschnittlichen Haus gewiß auch in einer Wotanpartie gute Figur machen könnte, aber eben für ein Weltspitzenfestival nicht ausreicht. Einzig und allein Karl Ridderbusch demonstrierte als König Marke, wie kultiviertes Singen und Darstellen der Partie Markes aussehen muß. Schon Jetzt Versprechen für größere

vorragend Peter Schreier und Gerhard Unger.

Bleibt nur das optisch-szenische Ärgernis, in dem es nicht an Regiebanalitäten und -fehlem mangelt und auch nicht an Fadesse im Bühnenbild Günther Schneider-Siemssens. Man kann schon heute gespannt sein, was sich der Regisseur Karajan im kommenden Jahr für seine viel schwierigeren „Meistersinger“ einfallen lassen wird.

Geradezu demaskierend wirkte freilich Karajans erstes Orchesterkonzert miit Beethovens Vierter und Fünfter: demaskierend für den Maestro wie, in gewissem Sinne, für sein Publikum. Selten wird ein Dirigent nach einer letztlich so anspruchslos-konfektionierten Aufführung beider Werke so enthusiastisch umjubelt. Und der Verdacht, Karajan könne im Grunde dirigieren was und wie er wolle, liegt nahe.

Freilich, so mechanisch abschnurrend begegnet einem Beethoven selten. Aber daß der nervös-hektische Maestro neuerdings sein Orchester auch in Tempi hineinhetzt, die zur Katastrophe führen, erlebte man noch nie. Daß ihm vom Komponisten gewünschte Wiederholungen als Zeitverschwendung erscheinen, mußte man zur Not tolerieren; daß so her-vprra.gerv.le Musiker wie der erste Berliner Fagottist )m Reprisensolö der Vierten glattweg „umfallen“, nur weil der Dirigent ein Allegro-ma-non-troppo-Finale um des Effektes willen wie ein Prestissimo da-hinjagt, ist unverständlich. Ganz zu schweigen vom kalten Bravourakt, als den er die Fünfte vom Stapel ließ.

Aber: Passiere was da wolle, sein Publikum tobt vor Begeisterung.

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