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Multimedia mit Minichancen

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Dies ist eine Szene aus „Riten“ von dem deutschen Komponisten Volker David Kirchner, Jahrgang 1942. Die österreichische Erstaufführung fand im Neuen Theater am Kärntnertor durch das „Ensemble 70“, Wiesbaden, statt und wurde unmittelbar darnach an dieser Stelle besprochen („Die Furche“ Nr. 48). Es handelt sich hier um eine typische Multimedia-Produktion für eine Tänzerin, einen Sänger, Klavier, Schlagzeug und Kontrabaß. Es gibt auch einen mehr oder weniger funktionslosen Dirigenten. Kulissen und Projektionen wurden durch einen Lichtzerhacker ersetzt. Das Ganze machte einen unfertigen, dilettantischen Eindruck und lief unter dem Titel „Antioper“. Aber was ist das?

Pierre Boulez hat vor kurzem an dieser Stelle über solche halbszenischen Produktionen, wo die

Sänger wenig zu singen haben, dafür aber meist ohne Kostüm auftreten und wo die Musiker auf der Bühne herumstiefeln (unbeholfen, wie dies meist Musiker tun) und ihre Plätze tauschen, Boulez also hat gesagt, er habe genug von dem Genre, es zeige Mangel an Professionellem, alles sei primitiver, lächerlich aufgeblasener Amateurismus. „Sie rennen mit ihren Montagen alle geöffneten Türen ein. Und der Collagewahn zeigt die Impotenz auf diesem Gebiet.“

Aber kann man das Urteil von Boulez noch au pied de la lettre nehmen, da er, nachdem er aufgerufen hatte, alle Opernhäuser anzuzünden, knapp zehn Jahre später den „Parsifal“ dirigiert hat, die längste und mystischeste aller Opern? Und ausgerechnet in dem so leicht brennbaren hölzernen Bayreuther Festspielhaus!

Kritik an der Oper zu üben, ist leicht, etwas Besseres, oder auch nur etwas anderes, Neues, Gültiges an die Stelle der alten Prunkoper zu setzen, ist sehr schwer.

Dies scheint nur einigen wenigen gelungen.

Strawinskys „Geschichte vom Soldaten“ zum Beispiel, 1918 entstanden und aufgeführt, mit drei Sprechrollen, einer Tänzerin und sieben Instrumentalisten, war ein echtes Theater der Armut — und zugleich ein Meisterwerk, das sich nach mehr als 40 Jahren als wertbeständig erwiesen hat. Heute macht man neues Musiktheater meist mit einem riesigen Kostenaufwand (siehe zum Beispiel Ka- gels „Staatstheater“ in Hamburg). Aber ob auch nur eines dieser Werke das Jahr 2000 erleben wird, ist mehr als fragwürdig …

HELMUT A. FIECHTNER

Ein „ORF“-Konzert im Großen Sendesaal war der Hauptsache nach auf französische Komponisten eingestellt. Daniel Lesur gab seine musikalische Visitenkarte als Vertreter des konservativen Flügels französischer zeitgenössischer Komponisten mit der symphonischen Dichtung „Andrea del Sarto“ ab. Sie ist fast durchaus tonal gehalten, setzt sich aus kurzen Abschnitten zusammen, fügt sich dann aber doch zu einer das Reprisenprinzip der Sonate aufweisenden Einheit (erste Aufführung in Österreich). — Vincent d’Indys „Symphonie sur un chant mon- tagnara franęais“ für Klavier und Orchester verleugnet in ihrem spätromantischen Stil nicht die Schule César Francks, ergeht sich in Variationenform in einem Dialog zwischen Klavier und Orchester und endet mit einem effektvoll-draufgängerischen 3. Satz. Die Solistin, Id.il Biret, war durch die starke Instrumentierung teilweise völlig zugedeckt.

Der Abschluß des Abends brachte Theodor Bergers „Jahreszeiten“- Symphonie, die der Komponist sowohl als Konzertstück als auch als Ballettmusik betrachtet haben will; doch ist das raffiniert orchestrierte, ständigem Taktwechsel unterworfene Werk seinen Details nach mehr für die Bühne geeignet. An Bergers „Malinconia“ reicht es leider keineswegs heran. Daß Edouard van Re- moortel trotz hohen Fiebers dirigierte, ist ihm anzurechnen. Viel Applaus.

Paul Lorenz

Im 1. Konzert der Wiener Symphoniker unter Josef Krips spielte Ludwig Streicher den Solopart von Marcel Rubins Kontrabaßkonzert. Man kann ein großer Liebhaber der tiefen Bässe sein, wie sie in unserer Zeit etwa Prokofieff oder Honegger besonders effektvoll angewendet haben, und braucht deshalb noch lange keinen Gefallen am Kontrabaß als Soloinstrument, zu finden. — Obwohl man ihn um einen Ton höher stimmen kann, wird er praktisch von jedem arideren’ Orchesterinstrument übertönt — falls er nicht gerade im Forte brummt. Aber gerade die obere Lage, in welcher sich die Melodielinie eines Konzertes bewegen muß, ist tonschwach und von geringer Schönheit. Und je beweglicher er sich gibt, um so plumper wirkt er. Es ist, als wollte man einen Elefanten auf dem Seil zum Tanzen bringen. Da nützt auch die Virtuosität nichts, über die der Philharmoniker und Akademieprofessor Ludwig Streicher in hohem Maße verfügt. Marcel Rubin, Jahrgang 1905 und Staatspreisträger, hat zu Beginn des Jahres 1970 eine kunstvolle Partitur geschrieben, in der üblichen drei-

teiligen Konzertform, eine vor allem rhythmisch und instrumental interessante Arbeit, reich auch an melodischem Filigran. — Aber es können sich zwei Meister zusammentun und von einem Meisterorchester begleitet werden — und es kann trotzdem ein wenig befriedigender Gesamteindruck entstehen. (Als Hindemith 1949 nach zahlreichen Werken für Soloinstrument seine Kontrabaß- Sonate herausgab, sagte eine Bekannte des Komponisten: „Auch wieder so ein Starrsinn!“) — Das Symphonikerkonzert wurde mit Webers „Euryanthe-Ouvertüre“ eröffnet — einem der glänzendsten Instrumentalstücke der Hochromantik, das in seinem Schwung und Überschwang ein direkter Vorfahr von Pfitzners Ouvertüre zum „Käthchen von Heilbronn“ und des „Don Juan“ von Richard Strauss ist. — Den zweiten Teil des Konzerts bildete Beethovens „Eroica“.

H. A. F.

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