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Karajans „Fidelio“
Es war die dritte „Fidelio“-Inszenierung innerhalb eines Jahres und im Rahmen österreichischer Festspiele. Ihre „Notwendigkeit“ ergab sich, weil auch Karajan seinen, obschon verspäteten Beitrag zum Beethoven-Jahr leisten wollte. Vom künstlerischen Standpunkt war sie allerdings nicht notwendig, obwohl die rein musikalische Interpretation durch die Berliner Philharmoniker unter Karajans Leitung die ln Wien durch Bernstein und die bei den Sommerfestspielen in Salzburg durch Böhm übertraf.
Es war die dritte „Fidelio“-Inszenierung innerhalb eines Jahres und im Rahmen österreichischer Festspiele. Ihre „Notwendigkeit“ ergab sich, weil auch Karajan seinen, obschon verspäteten Beitrag zum Beethoven-Jahr leisten wollte. Vom künstlerischen Standpunkt war sie allerdings nicht notwendig, obwohl die rein musikalische Interpretation durch die Berliner Philharmoniker unter Karajans Leitung die ln Wien durch Bernstein und die bei den Sommerfestspielen in Salzburg durch Böhm übertraf.
Karajans Interpretation ist nicht so hitzig wie die Bernsteins, aber um vieles ausgewogener und partiturgerechter, und sie ist wesentlich spannungsgeladener als die Böhms. Alle drei Dirigenten zusammen aber vermögen nicht, jene Herzbeklemmung und jenen Erlösungsrausch zu vermitteln, wie sie Furtwängler zustande brachte, der in Beethoven aufging.
Karajans künstlerisches Gewissen manifestiert sich meist in unwesentlichen Momentea Er dirigierte zwar zwischen Jubelduett und Schlußszene die von Mahler eingeführte Leono- ren-Ouvertüre Nr. 3 (auf der Schallplatte läßt er sie weg), doch ließ er während der Schlußtakte den Vorhang aufgehen und gab sofort nach dem Ende der Ouvertüre dem Interpreten Don Fernandos das Einsatzzeichen, so daß kein Applaus möglich war. Warum wohl?
Weil einige Kritiker die Ouvertüre an dieser Stelle als eine Art Vergewaltigung des Werkes bezeich- neten. Dabei ist der Mahlersche Einfall genial, genialer als die Absicht, da Wiens berühmtester Opem- direktor die Ouvertüre als Pausenmusik zu den Umbauten einführte. Tatsächlich aber wurde sie an dieser Stelle zur großartigen Rück- und Vorschau in einem, zur musikalisch erdachten Utopie der Freiheit, und schon zu Mahlers Zeiten zum Höhepunkt der „Fidelio“-Aufführung. Sie ist es auch bei der Neuinszenierung in Salzburg, wobei Karajan mit seinem besonderen Sinn für musikalische Steigerung das zweite Trompetensignal näher und mächtiger ertönen ließ — so, als ob das Jüngste Gericht und dann sogleich auch das „himmlische Reich der Freiheit“ zum Greifen nahe wären.
Nach einer so großartigen Interpretation den Zusehem die Befreiung durch den Applaus zu nehmen und dem prachtvoll spielenden Orchester den Lohn vorzuenthalten, ist Schmockerei.
Wie fast immer ist Karajans Regie- fühmng Karajans musikalischer Interpretation nicht gleichwertig. Es fehlen ein überzeugendes Regiekonzept und eine wirkliche Menschenführung. Darüber hinaus schleichen sich immer wieder Fehler ein, die ein Schüler im Seminar begehen darf, aber nicht jemand, der ein Meister sein will.
Die Besetzung ist mittelmäßig, Ausnahmen bilden Karl Ridderbusch als Rocco und Jose van Dam als Fernando. Helga Dernesch als Leonore tut sich schwer. In ihrer großen Arie singt sie zwar, daß sie nicht wanke, doch ihre Stimme wankte in extremen Höhenlagen bedenklich.
Jon Vickers als Florestan erhielt am Ende zwar den stärksten Applaus, doch war es nicht klar, weshalb. Wegen seiner stimmlichen Leistung wäre er in Wien wahrscheinlich ausgebuht worden. Eine Fehlbesetzung stellte Zoltdn Kelemen als Don Plzzarro dar. Er war der Rolle weder stimmlich noch darstellerisch gewachsen. Ausgezeichnet Edith Mathis als Marzelline. Stimmlich kaum zu hören Donald Grobe als Jaquino. Ein besonderes Lob gebührt dem Bühnenbild Günther Schneider-Siems - sens yregen der hervorragenden Raumausnützung und des starken Stimmungsgehaltes. Das Publikum feierte Karajan und die Berliner Philharmoniker stürmisch und spendete auch sämtlichen Sängern starken Applaus.
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