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Matthäuspassion und „Parsifal”—konzertant

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Johann Sebastian Bachs „Passionsmusik nach den Worten des Evangelisten Matthäus” erlebte ihre traditionelle Wiedergabe im Großen Musikvereinssaal unter Herbert von Karajan. (Singverein, Wiener Sängerknaben, Symphoniker.) ln der bewußt auf dramatische Zuspitzungen gerichteten Auffassung erwuchsen den Chören besondere Aufgaben, die Steigerung - und ausdrucksmäßig mit großer Intensität gelöst wurden. Unter den Solisten waren besonders Maria Stader und Hilde Rössel-Majdan mit den stilistischen Ansprüchen absolut vertraut, und in Waldemar Kmentt wächst ein Evangelist von Format heran. Eberhart Wächter als Christus blieb zu sehr im Salbungsvollen. Hervorragend Anton Heiller am Orgelpositiv und Josef Nebois an der (apart registrierten) Orgel. Der Gesamteindruck war groß und nachhaltig.

Die Umbesetzung zweier Rollen in der Oper „Die Gespräche der Karmeliterinnen” von Francis Poulenc ist als glücklich zu bezeichnen, wenn sie auch der Lösung, besonders in der Darstellerin der Blanche, noch keineswegs näherkommt. Emmy Loose gibt dem weltfremden, verschreckten Aristokratenkind einige glaubhafte Züge und wächst gegen die Katastrophe hin zu menschlicher Größe an, doch wird noch vieles nicht einbezogen, was dieser Gestalt den Mittelpunkt sichert. Claude Heater als Marquis wirkt trotz vorbildlicher Haltung doch zu jung. Jedenfalls werden beide Gestalten von der echt tragischen Priorin (Höngen) und der fröhlich gläubigen Konstante (Rothenberger) weit überspielt. Das Werk selbst dürfte sich nur allmählich, aber um so nachhaltiger durchsetzen.

Dietrich Fischer-Dieskau sang „Die schöne Müllerin”. Dieser erste „Roman in Liedern” Schuberts, weniger dunkel und tragisch als die „Winterreise”, ist nicht weniger reich an Gefühlen; Liebe, Untreue, Trauer, Abschied — aber reicher in den Schattierungen der Uebergänge, Zwischenstimmungen, Kontrasten. All dies lebte, von keiner Geste, ja kaum von andeutender Mimik unterstützt, in der Stimme des Sängers, der durch die Kunst seines Ausdrucks den Großen Konzerthaussaal zum intimen Raum machte und in Jörg Demus einen kongenialen Begleiter hatte.

Seinen ersten Liederabend gab Murray Dickie, von der Oper her längst bekannt und vertraut, und erwies sich besonders im Vortrag von englischen Volksliedern (teilweise in der Bearbeitung von Georg Britten) als ausdrucksvoller, naturverbundener Liedsänger, der auch in Liedern von Brahms, Hindemith und Schubert auf dem richtigen Weg ist und sich in Gesängen von Purcell, Caccini und Lotti schön und frei aussang.

Da die Staatsoper „Parsifal” noch nicht in ihrem Spielplan hat, die vorösterliche Zeit aber für das Bayreuther Bühnenweihfestspiel besonders geeignet ist, griffen die Veranstalter des Zyklus „Meisterwerke romantischer Musik”, der an Sonntagnachmittagen besondere Zugkraft erwiesen hat, zum Abschluß auf Wagners „Parsifal” zurück. Man mußte sich mit dem dritten Aufzug begnügen. Mehr als ein

Ersatz konnte es nicht sein. Immerhin hätte man bei der Aufstellung der Chorgruppen mehr Wagemut erwartet. Wenn schon die (im Programm übrigens ungenannt gebliebenen) Damen des Chors des Oester- reichischen Rundfunks von der Orgelempore ihre Stimmen vernehmen ließen, warum hat man nicht den Männergesangverein links und rechts, anschließend an die Empore, auf die Galerie gestellt? Das Tonkünstlerorchester unter der groß- linigen Stabführung Robert Hegers hat schön und ohne auf optische Wirkung berechnete konzertante Uebersteigerung gespielt. Von den Solisten machte Gottlob Frick (Gurnemanz) bei weitem die beste . Figur. Prägnant in den Dialogen mit Parsifal, lyrisch bedachtsam im Karfreitagszauber, hatte er in Fritz Uhl (Parsifal) einen im Vortrag etwas zu unbekümmerten Partner. Hans Braun als Amfortas zeigte in der Stimmcharakteristik einige bedeutende Augenblicke. Der Männergesangverein bevorzugte eine ziemlich lyrische Tönung. Bei dieser Auffassung wäre eine Verstärkung des Chores angezeigt gewesen.

Der in Arizona 1929 geborene und seit 1957 in Wien lebende Paul Nelson hat mit dem Dreizehnminutenwerk „Narrative for Orchestra” (Erzählung für Orchester) ein gefälliges, nicht allzu tiefes, aber gutklingendes Stück geschrieben. Das Orchester der Philharmonia Hungarica zeigte sich hier in den Streichergruppen (die erste Violine leuchtete glänzend hervor) und bei den Holzbläsern wohl disponiert. Die Musiker haben auch der einleitenden Ouvertüre „Pinocchio” von Ernst Toch, einem mit Witz und komödiantischem Geist erfüllten Stück, zu lautem Beifall verholfen, der Nelson, welcher anwesend war, wohl auch gebührt hätte. (Ein einmaliger Hervorruf war doch keine sehr gastfreundliche Geste!) Als Solistin des Abends spielte Barbara Korn das Klavierkonzert in e-moll von Chopin mit echt weiblichem Empfinden und Spürsinn für träumerische Stimmungen, denen gegenüber die Technik zurücktrat. Der Dirigent Peter Jona Korn, sechsunddreißig Jahre alt (geborener Berliner, der später nach England übersiedelte und schließlich in Los Angeles landete) verfügt über eine einfache, deutliche Zeichengebung und über einen wachen Sinn für dynamische Kontraste.

Ein Abonnementskonzert der Musikalischen Jugend leitete an der Spitze des Tonkünstlerorchesters Robert Scholium, der bei dieser Gelegenheit ein zehnminutiges Variationswerk, betitelt „Kontrast e”, zur ersten Aufführung brachte. Es ist ein geistreiches, ein achttaktiges Thema in dreißig knappen Variationen abwandelndes Stück, das so ziemlich alle Farben der Orchesterpalette mit Geschick ausnützt.

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