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Karaj ans vermarktete Kunst

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Lobpreisungen aller Art, Jubelworte in Salzburg: Der „große Sohn der Stadt“, Herbert von Karajan, feiert am 5. April seinen „Siebziger“. Und die Lawine der Ehrungen rund um die 12. Osterfestspiele rollt. Während etwa in Holland Fans sich den Maestro in Wachs leisteten, was ihn sicher wenig begeisterte, zeigt er sich von Salzburgs Beitrag bewegt: „Ich kann mich hier realisieren wie nirgends sonst“ dankte er anläßlich der Eröffnung der imponierenden Karajan-Ausstellung der Max-Reinhardt-Forschungsstätte im Schloß Arenberg.

Einen Wermutstropfen steuerte allerdings die Universität Salzburg bei. Denn als dort Naturwissenschaftler und Theologen die Ernennung Kara-jans, des Salzburger Ehrenbürgers und Ehrensenators der Universität, zum Ehrendoktor wünschten, zeigten sich die Juristen halsstarrig. Mit dem Argument, er habe für die von der Universität vertretenen Aufgaben keine wissenschaftlichen Arbeiten geleistet, zieht man in die Schlacht. Am 4. Aprü, einen Tag vor Karajans Geburtstag, sollen die Würfel über den „Dr. h. c. Karajan“ fallen. Nur - leicht werden es die Gegner nicht haben. Alle Schlachtrufe gegen die Ehrung führen unweigerlich in die Blamage, denn gleichzeitig erhält der Meastro von der Universität Oxford das Ehrendoktorat, wie er bereits Ehrenprofessor der Universität Padua und Grand'Official Italiens geworden ist. Und ganz abgesehen davon richtet sich diese Entscheidung dann auch gegen etliche andere Doctores h. c. Zum Beispiel gegen den großen Oskar Kokoschka, der leider auch keine wissenschaftlichen Arbeitsnachweise eingereicht hat. Aber selbst wenn alle einstimmig für den Dr. h. c. Karajan stimmen, ist die Situation noch nicht unbedingt gerettet. Es wäre ja möglich, daß Karajan jetzt darauf .überhaupt keinen Wert mehr legt.

Nicht so ganz in Fest- und Wonnestimmung ist übrigens auch Salzburgs Osterfestspielpublikum. Bescherte doch Karajan heuer lediglich Opernauffrischungen: den 1971 herausgebrachten, dann aufs Eis gelegten „Fi-delio“, der mit Ausnahme der hinreißend schön singenden Hildegard Behrens (Leonore) und des leidenschaftlich musizierenden Karajan mit seinen Berliner Philharmonikern im Mittelmaß steckenblieb; und den heuer wahrhaft methusalemisch alt wirkenden „Troubadour“, der gleichzeitig Probe für die Live-Ubertragung der Produktion aus der Wiener Staatsoper war. Bei der Premiere im Großen Festspielhaus leider ein lust- und span-

nungsloses Spektakel, das selbst eingeschworene Festspiel- und Karajan-Fans murren ließ. „Karajan macht nichts Neues“ klagl

etwa der Repräsentant einer großen Plattenfirma, „die großen neuen Aufgaben, wie ,Parsifal', schiebt er vor sich her, die alten wiederholt er immer wie-

der“. Und das verstimmt auch Geldgeber, Publikum, alle; bis zu den Portiers, für die das Geschäft mit den Karten auch nicht mehr ist, was es einmal war.

Übrigens auch für Ostern 1979 hält sich Karajan an Altbekanntes. Da wird Verdis „Don Carlos“, seit Jahren auf dem Programm der Sommerspiele,

übernommen und dann auch noch im April 1979 live aus der Wiener Staatsoper übertragen.

Karajan selbst begründet dieses Leih-Prpgramm mit den enorm gestiegenen Kosten neuer Produktionen, mit der kurzen Vorbereitungszeit für die Osterfestspiele, mit der seit Jahren gleichgebliebenen Subvention von Stadt und Land Salzburg. Und was er nicht sagt, ist die Methode, wie da natürlich die totale Vermarktungsmaschinerie Karajans und seiner Firmen läuft. Der Bück hinter die Kulissen ist gewiß aufregend. Man staunt, wie Karajans deutsche Filmfirma Kirch, Plattenfirmen, Festspiele, Karajans früherer schweizer Sängeragent, Bundestheater und ORF zusammenspielen. Internationale Festpiele der Kunstrationalisierung. Aber schön wär's halt, wenn auch vor den Kulissen, auf der Bühne, dem Publikum ein wenig mehr und vor allem auch wieder einmal Neues geboten würde.

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