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Welttheater oder Allerweltstheater?

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Arbeitskraft und -wille Herbert von Karajans, des Kassenmagneten und unermüdlichen Motors aller Salzburger Festspielunternehmungen, sind wieder ungehemmt wie eh und je. Was gerade für das Privatfestival des Maestro, die Salzburger Osterfestspiele, von eminenter Wichtigkeit ist. Für zwei Tage kam nun Karajan nach Wien, um hier nach dem Rechten zu sehen: „Figaro“-Gespräche für seinen Wiener Premiereneinstand im Mai an der Staatsoper, Gespräche über „Boheme“ und vor allem über den „Troubadour“, der schließlich heuer auch die einzige Salzburger Osterspielpremiere (6. April) sein wird. Am 8. Mai wird Karajan damit seine „Festlichen Tage“ in Wien eröffnen, und 1978 wird das Werk via TV-Direktüber- tragung breitesten Publikumskreisen ins Haus gestrahlt.

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Arbeitskraft und -wille Herbert von Karajans, des Kassenmagneten und unermüdlichen Motors aller Salzburger Festspielunternehmungen, sind wieder ungehemmt wie eh und je. Was gerade für das Privatfestival des Maestro, die Salzburger Osterfestspiele, von eminenter Wichtigkeit ist. Für zwei Tage kam nun Karajan nach Wien, um hier nach dem Rechten zu sehen: „Figaro“-Gespräche für seinen Wiener Premiereneinstand im Mai an der Staatsoper, Gespräche über „Boheme“ und vor allem über den „Troubadour“, der schließlich heuer auch die einzige Salzburger Osterspielpremiere (6. April) sein wird. Am 8. Mai wird Karajan damit seine „Festlichen Tage“ in Wien eröffnen, und 1978 wird das Werk via TV-Direktüber- tragung breitesten Publikumskreisen ins Haus gestrahlt.

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Die im Vorjahr wegen Karajans Erkrankung abgesagte Aufführung von Gustav Mahlers VI. Symphonie wird heuer das Osterfestival eröffnen (3. April). Karajans Plan, den im Vorjahr herausgebrachten „Lohengrin“ wieder aufzunehmen, ist allerdings vorerst ad acta gelegt worden. René Kollo und Karl Ridderbusch, die 1976 in Unfrieden vom Maestro schieden, standen nicht mehr zur Verfügung. Peter Hofmann, der heuer für die Titelpartie in Frage kam, war nicht freizubekommen.

„Troubadour“ hier, „Troubadour“ dort, „Troubadour“ via TV - wird diese Produktion nicht ein bißchen zuviel strapaziert? Verschrottet? Das fragt sich wohl jeder Kulturkonsument. Und das um so mehr, als diese Produktion ja auch offiziell als Übernahme einer bereits bei den Salzburger Sommerfestspielen herausgebrachten, dann nach Wien übersiedelten Aufführung deklariert wird (Günther Schneider-Siemssen mußte nur die allmählich etwas altersschwachen Bühnenbilder auffrischen und für die Dimensionen der Großen Festspielhausbühne aufbereiten). Aber: Die Rentabilität fordert es! Das ist eine Antwort Und natürlich fordert es auch der rationell arbeitende Künstler Karajan, der ja schließlich für seinen Wien-Einstand nicht in kurzer Zeit drei funkelnagelneue Produktionen aus dem Bühnenboden stampfen kann, der für die TV-Übertragung natürlich auch lieber ein sehr dramatisches Werk wählt, das er vorher wohl- erprobt hat, und dann natürlich auch bei den Salzburger Osterspieleri lieber ein Werk erarbeitet, dessen Verwen- dungs- und Einsatzmöglichkeiten nicht bloß auf zwei Aufführungen beschränkt bleiben (auch Wenn er den „Troubadour“ in Salzburg mit den Berliner Philharmonikern und in Wien mit den Wienern aufführt).

Ob die Karajan-Fans glücklich sein werden? Wien und Salzburg plötzlich gleichgeschaltet (denn auch der Wiener „Figaro“ hatte ja bereits einen - ebenfalls von Jean-Pierre Ponnelle inszenierten und ausgestatteten - Salzburg-Vorläufer, der bis 1976 zu sehen war). Vor allem aber hört man, daß der „Troubadour“ auch zu den Osterspielen 1978 wiederholt werden könnte und der seit langem geplante „Parsifal“ vielleicht überhaupt erst 1980 folgt.

Verlieren da die Osterspiele, die mit Wagners „Ring“, „Tristan“ und den „Meistersingern“ eine ungemein profilierte Linie, ein großes Konzept repräsentierten, nicht einiges von ihrer Signifikanz? Auch wenn einzelne dieser Produktionen in Details nicht immer ideal waren, gab es doch keine Frage: Was Karajan mit seinem Wagner-Festival im Alleingang geschaffen hat, war Schöpfung aus einem Guß. Ein Fest, geprägt von Ideen, Format, schier unerschöpflichem Arbeitswillen und einer unverkennbar profilierten künstlerischen Vorstellung. Soll dieses Konzept jetzt allmählich verwässert werden? Wäre es da nicht sinnvoller, noch einmal auf Wagners „Ring“ und „Tristan“ zurückzugreifen, deren Ausstattungen in den Depots liegen? Erwarten das nicht auch Karajans Osterfestspiel-Fans, die seinen Projekten stets mit Begeisterung gefolgt sind?

Aber es bleibt auch ein wenig eine Frage von Außerordentlichkeit, Un- verwechselbarkeit, Festspielidee (die bis zu einem gewissen Grad exklusiv bleiben muß), aber auch von künstlerischem „Gegenwert“ für hohe Kosten und enorm hohe Festspiel-Karten-

preise. Denn der Besucher legt in Salzburg bis an die 1500 Schilling für eine Karte aus, die noch dazu mit mindestens 400 Schilling durch Stadt und Land gestützt werden muß. Was es wiegt, das hat’s, heißt die alte Spielregel. Für den Kartenkäufer. Und auch für Stadt und Land Salzburg, die seit 1967 fast 50 Millionen Schilling Ausfallshaftung hingeblättert haben. 3,8 Millionen hat für jeden der beiden bisher der Jahressubventionsbeitrag ausgemacht. Ohne eine mindestens zehnprozentige Erhöhung können aber die Osterfestspiele wegen genereller Kostenexplosion nicht weitergeführt werden. Da werden also nun, um für Salzburg den Bestand dieses Festivals auf längere Frist zu garantieren, alle zur Kasse gebeten: das Publikum, der Subventionsgeber und dadurch der Steuerzahler… Und das alles, damit die Hotels ausverkauft, die Restaurants gesteckt voll sind, wir unser Lieblingsschlagwort von der „Umwegrentabilität“ verschämt hersagen können und Salzburg Saison hat Und, bitte, im Detail: Wo liegt im Fall „Troubadour“, der nun in Salzburg, Wien und im TV kommerziell ausgewertet wird, wirklich die große Einsparung?

Schwamm drüber. Hoffen wir, daß wenigstens Qualität all diese Fragen zweitrangig, vielleicht mehr oder minder überflüssig macht. Und hoffen wir, daß Karajan aus seinem Salzburgischen Oster-Welttheater nicht ein salzburgisch-wienerisches Allerweltstheater macht!

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