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Und wie weiter?

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Expansive oder intensive Programmgestaltung? Internationales Festival oder Salzburger Festspiele? Starkult um jeden Preis oder Verwirklichung einer Idee? Das waren die Diskussionsthemen eines Abends, zu dem der Salzburger Presseklub eingeladen hatte. Ungefähr 150 Personen nahmen an dieser Veranstaltung teil, unter ihnen zwei Dutzend Journalisten aus Oesterreich und Deutschland, zahlreiche Auslandskorrespondenten und fünf Chefredakteure. Hofrat Professor Paumgartner hielt das nebenstehende Einleitungsreferat und schlug die Hauptmotiv* der nachfolgenden Debatte an. Ausgangspunkt war das Festspielprogramm für 1958, das wir an dieser Stelle („Die Furche“ Nr. 9 vom 1. März 1958) bereits ausführlich kommentiert haben.

Aber nicht auf der Kritik lag der Hauptakzent, sondern auf konstruktiven Vorschlägen und Anregungen.

Salzburg ist dazu prädestiniert, dem österreichisch-süddeutschen Theatergei,st eine Stätte zu bieten. Dieser ist an keine Sprachgrenze gebunden, sondern schließt etwa die heitere Spieloper von Rossini bis Donizetti ebenso ein wie die Werke Wolf-Ferraris (der uns nach Salzburg besser zu passen scheinen als z. B. Lortzing, der“ mehrfach genannt wurde).

An die Stelle der in neueren programmatischen Konzepten immer wieder auftauchenden „Barockoper“ oder des „Rosseballetts“, die in ihrer ursprünglichen Gestalt kaum zu reaktivieren sein dürften, traten konkretere Vorschläge: Szenische Aufführungen von Händeischen Oratorien; neben Glucks „Orfeo“ wurde an seine Opern „Telemach“, „Alceste“ und die beiden „Iphigenien“ erinnert. — Der Schatz der bene-diktinischen Schuldramen harrt ebenso der Wiederbelebung wie Biedermanns „Xenodoxus“ (mit dem sich bereits Hofmannsthal beschäftigte) und das Radstädter „Spiel vom Jüngsten Gericht“. Diese Stücke müßten gründlich neubearbeitet, zum Teil umgedichtet werden. Mit dieser Aufgabe wären zwei oder drei zeitgenössische Dichter von Format zu betrauen.

Neben den großen Spielplätzen (Domplatz, Festspielhaus) ist die Reaktivierung neuer, kleinerer Spielplätze, im geschlossenen Raum und im Freien, deren Salzburg mindestens ein halbes Dutzend besitzt, in Angriff zu nehmen. Hier ergeben sich Möglichkeiten für ein „zweites Ge-* leise“, ein Ensemble jüngerer Sänger und Instru-meritalisten, wie'sie'das Mozarteum besitzt. Der besonderen Pflege dieses Ensembles werden die Jugendwerke Mozarts, Unbekanntes von Haydn sowie die zeitgenössische (klassische) Kirchenmusik empfohlen.

Was das Theater betrifft: Warum in die Ferne schweifen, wenn das dramatische Werk Hofmannsthals bisher fast ganz vernachlässigt wurde? (Vgl. „Die Furche“ v. 18. Jänner 1958: „Ein Autor für Salzburg.“) Wir haben Grill- parzer, Raimund und Nestroy. Neben unseren Klassikern gebührt Wildgans und Werfel, Meli, Schnitzler und Csokor ein Platz im Salzburger Festspielprogramm.

Im großen Haus, das bis 1960 fertiggestellt werden soll, ergeben sich neue Möglichkeiten: „Die Frau ohne Schatten“, „Die ägyptische Helena“ und „Friedenstag“ von Richard Strauss, Carl Orffs „Antigonae“ als Reprise und sein „Oedipus“, der bald fertiggestellt sein wird. Ferner Honeggers musikdramatische Fresken. Strawinskys „Oedipus Rex“, Milhauds „Colum-bus“ und die „Choephores“. — Für das Sprechtheater: Antike Chortragödien, Schillers „Braut von Messina“, Hofmannsthals „Salzburger Großes Welttheater“, Hauptmanns Atriden-Tetralogie und vieles andere.

Für die Konzertprogramme, die heuer bunt zusammengewürfelt sind, darf nicht der Reisekoffer der Stardirigenten, sondern muß die sinnvolle Planung maßgebend sein. Ein Mahler- und ein Bruckner-Zyklus, auf je zwei Jahre verteilt, wurden wiederholt empfohlen, aber nie realisiert. Auch Franz Schmidts IV. Symphonie sollte nicht fehlen. Eine aus etwa drei Personen, und zwar aus Fachmusikern, bestehende Jury könnte damit betraut werden, für fünf Orchesterkonzerte je ein Werk eines zeitgenössischen österreichischen Komponisten auszuwählen.

Es gibt, wie wir sehen, viele Dinge zwischen dem „Rosseballett“ und der amerikanischen „Vanessa“ ...

Obwohl in der eingangs erwähnten Diskussion, die Dr. Wolfgang Schneditz ruhig und fair leitete, keine Minute lang leeres Stroh gedroschen, sondern ein ganzer Scheffel mit gutem Korn gesammelt wurde, zweifeln wir, rebus sie stantibus, daß daraus in, den nächsten Jahren ein schmackhafter Kuchen gebacken werden wird. Denn es ist eine Eigentümlichkeit der Hochthronenden, ihre Sache (wir meinen hier das Programm und nicht die Kapellmeistern) zwar nicht gut zu machen, aber dafür auch auf guten Rat nicht zu hören.

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