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Opernwünsche fürs neue Jahr

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Paul Cėzanne, über den Geschmack seiner Frau befragt — ob sie an seinem Schaffen teilnehme und seine Bilder zu schätzen wisse —, sagte: „La Öoule (die Kugel, so nannte er sie) liebt' nur Limonade und die Schweiz." Vom Wiener Opernchef Karajan konnte man sagen: er liebt nur Wagtjer-lnszenie- rungen und italienische Stimmen . ..

Gewiß: Verdi und Wagner, das sind zwei große Meister, zwei mächtige Säulen des Repertoires. Aber daneben gäbe es in der Wiener Staatsoper noch anderes zu kultivieren. — Von den vielen Lücken sei zu Jahresbeginn nur auf eine hingewiesen. Sie klafft an der Stelle des modernen Repertoires.

Nicht etwa, daß man seit 1945 keine .neueren Opernwerke einstudiert hätte (und man kann füglich von' einem Repräsentationstheater nicht mehr als eine oder zwei zeitgenössische Premieren im Jahr erwarten, das. ist anderswo auch nicht viel anders). Aber die modernen Werke verschwinden auf eine fast mysteriöse Art alsbald wieder1 vom Spielplan, so daß wochenlang kein neues, Operrtwerk zu hören ist.

Es sei nur an einige solcher „Fälle“ erinnert. Wir haben wiederholt darauf hingewiesen — und betrachten es fast als eine Selbstverständlichkeit —, daß man die Salzburger LIraufführungen, bei denen ja die Philharmoniker und meist auch eine Reihe bester Wiener Sänger mitwirken, anschließend ins Repertoire der Oper am Ring übernimmt. Mit einigen Werken hat man es so gehalten, atif andere warten wir heute noch.

Gottfried von Einems „Danton“ und „Der Prozeß“ kamen von Salzburg ins Theater an der Wien, verschwanden hier aber allzubald wieder vom Spielplan — und wurden nicht ins neue Haus übernommen, wo beide Opern, noch dazu als Werke eines österreichischen Komponisten, bonne figure gemacht hätten und immer noch machen würden.

Frank Martins „Liebestrank", Boris Blachers „Romeo und Julia“, Benjamin Brittens „Raub der Lukrezia“ (von 1948 bzw. 1950) wären sowohl für das Theater an der Wien wie auch für den Redouten- saal bestens geeignet gewesen, während man Orffs „Antigone" (von 1949) ins Theater an der Wien bzw. später ins große Haus am Ring hätte übernehmen können.

Dafür hat man vor kurzem Werner Egks „Revisor“ für den Redoutensäal heu einstudiert (wo er absolut nicht hinpaßt), versäumte es aber, Liebermanns „Schule der Frauen“ aus Salzburg in den

Redoutensaal zu übernehmen. (Aber das gehört schon in das Kapitel „Die glückliche Hand", ebenso wie die Uebernahme der amerikanischen „Vanessa“ von Barber und Menotti aus der Met ins letzte Salzburger Festspielprogramm.)

Wir haben vör einigen Jahren an dieser Stelle unter dem Titel „Was die Wiener Staatsoper nicht spielt“ eine größere Liste von zeitgenössischen Opernwerken gebracht, die unbedingt ins Repertoire eines großen Hauses gehören. Einige wenige wurden inzwischen gespielt, Heute sei nur auf die drei bedauerlichsten Unterlassungen hingewiesen:

Debussys „Pellėas et Mėlisande“ ist ein Markstein nicht nur in der Opern-, sondern auch in der Musikgeschichte und gehört ins Repertoire jedes großen Opernhauses. Das zauberhafte Werk wurde seit Jahrzehnten von der Wiener Staatsoper nicht einstudiert und zuletzt (im November 1946) Vom Ensemble der Pariser Oper in Wien gegeben.

Strawinskys „The Rake’s Progress“ wurde bald nach der Uraufführung in Venedig 1951 im Theater an der Wien gegeben, und zwar in mustergültiger Inszenierung, Ausstattung und Besetzung. Auch dieses Werk gehört in den Spielplan des großen Hauses am Ring.

„Karl V.“ von Ernst K r e n e k. Dieses

„Bühnenwerk mit Musik, schrieb der Wiener Komponist auf Anregung und Bestellung von Clemens Krauß in den Jahren 1930 bis 1933 für die Wiener Staatsoper. Aber die Uraufführung erfolgte nicht hier (wo 1934 die Proben plötzlich abgebrochen, wurden), .sondern in Prag. Seither wurde das Werk zwar an mehreren deutschen Bühnen, aber noch nicht an der Wiener Staatsoper gespielt, ln einem vor kurzem gegebenen Interview erklärte Krenek:

„lm Jahre 2000 wird man den 500. Geburtstag Karls V. feiern, und ich werde dann gerade hundert Jahre ah. Vielleicht könnte man dann meine Oper ,Karl V.‘ spielen, da das Jubiläum Karls V. allein in diesem Jahr nicht ausreichte. Nur müßte man an diesem Projekt bereits heute zu arbeiten beginnen — für die Staatsoper scheint eine Vorbereitungszeit bis zum Jahre 2000 nicht übertrieben lang zu sein . . .“ Nun, wir sind nicht ganz so pessimistisch. Zwar: von unseren drei Opernwünschen wird Anno 1959 wohl keiner erfüllt werden. Aber vielleicht der eine oder andere schon im nächsten — oder im übernächsten Jahr.

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