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Ausbruch aus der Routine?

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Große Pläne wälzt man bei den Salzburger Festspielen für 1977: „Don Giovanni“ unter Böhm und Ponnelle und „Salome“ unter Karajan, Landis „II Sant'Alessio“ (wobei allerdings für den zurückgetretenen Ponnelle noch immer ein Regisseur gesucht wird); für 1978: Schauspielideen vom „Seidenen Schul}“, von einem Schnitzler- und Nestroy-Zyklus, Projekte einer Erneuerung des Mozart-Zyklus mit „Zauberflöte“ und „Entführung“ werden diskutiert; die italienische Spieloper soll wieder ins Spiel gebracht werden ... Allerdings, höchste Zeit. Denn das Spar jähr 1976, dem zum Flair internationaler Festlichkeit eine Menge fehlte, diente offenbar wirklich nur der Finanzsanierung. Aber ist ein mit 45 Prozent subventioniertes Festival dazu da, nur kommerziell zu kalkulieren? Und vor allem manche seiner Produktionen bis zur Schrottreife auszuwerten, um Rentabilitätsrechnungen Genüge zu tun?

So gesehen könnte man natürlich auch den fünf Jahre alten Karajan-Figaro, dem man seine Betagtheit längst anmerkt, noch mehrere Jahre ansetzen. Noch immer gibt es da unerfüllte Kartenwünsche ... und so gesehen läßt sich auch der bereits zum zweitenmal peinlich danebengegangene „Idomeneo“ ohne Schwierigkeiten 1977 verkaufen. Denn allein der magnetische Name Karl Böhms garantiert ein heftiges Geriß um die Karten.

Doch zwischen kommerziellen Erfolgen und Festspielen, denen man geistige Lebendigkeit, Courage zu Ungewöhnlichem, Phantasie und Geschmack nachsagen kann, ist leider allzuoft eine tiefe Kluft. 1976 etwa scheint die Salzburger Szene allzusehr ins Spannungsfeld zwischen Finanzsicherung und eine Art geistiger Verödung geraten zu sein. Gab es zu Strehlers Zeiten noch spektakuläre Ereignisse, wie das „Spiel der Mächtigen“, so dominiert heute kulinarische Tätigkeit, konfektioniertes Mittelmaß in Luxusaufputz. Ein solider „Don Carlos“, eine schöne „Cosi“, ein aufgeweichter „Figaro“, ein danebengegangener „Idomeneo“, dazu ein achtbarer „Titus“; im Schauspiel: Curd Jürgens' EinMann-Show und Schenks Klamauk-Talisman“ ... Eine Revue auf Nummer sicher. Gewagt wird gar nichts, neue Werke, neue Namen unter den Dirigenten und Regisseuren wurden bisher vermieden (Abbado, Mehta, Muti warten seit Jahren auf eine Premiere, James Levine war da heuer erstmals eine große Ausnahme), und man geht allen Problemen der Auseinandersetzung aus dem Weg, baut schließlich auf die beiden großen Alten in Salzburg: auf Böhm und Karajan. Und tut kurzsichtigerweise eigentlich nichts dazu, einem Jüngeren Hausrecht zu gewähren, ihn für hier aufzubauen, für den schrecklichen Fall, daß ... Denken wir lieber nicht, wieviel Attraktionskraft Salzburg im Falle eines Falles einbüßen wird.

Anderseits sind auch die Orchesterkonzerte in eine Phase bloßer Routine geschlittert. Mutige Programme werden kaum noch gewagt. Nicht einmal von Böhm und Karajan, denen das Publikum wirklich alles mit Freude abnimmt. Man holte heuer sozusagen aus der Lade, was man selbst und die Orchester ohnedies „draufhaben“, und mit ganz wenigen Ausnahmen vermeidet man auch große, neue Werke. Mut ist eine Rarität, dem ganzen dieser Konzepte fehlt der geistige Zuschnitt. Weil es halt wirklich einfacher ist, Gängiges todsicher zu verkaufen anstatt für Ungewöhnliches erst werben zu müssen. Ob das aber immer Salzburgs Vorteil ist?

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