6643453-1958_09_11.jpg
Digital In Arbeit

Importfestspiele?

Werbung
Werbung
Werbung

Vor uns liegt ein Prospekt der Salzburger Festspiele 195 8. Er kündigt an: die Opern „Vanessa“ von Barber-Menotti, „Fidelio“, „Figaro“, „Cosi fan tutte“, „Don Carlos“ und „Arabella“; die Sprech stücke „Jedermann“, „Juarez und Maximilian“ von Werfel und ein „modernes Schauspiel“ (als welches inzwischen „Hiob“ von Archibald McLeish ausgewählt wurde); vier Abende des Grand Ballet du Marquis de Cuevas, schließlich neun Orchesterkonzerte und die traditionellen Solisten- und Liederabende, Kammerkonzerte, Serenaden und Mozart-Matineen. (Auf diese Programme werden wir noch einmal extra zurückkommen.)

Beginnen Wir mit den Opern. „Vanessa“ von Samuel Barber, Text von Gian-Carlo Menotti, wurde vor kurzem unter der Leitung von Dimitri Mitro-poulos an der New-Yorker Metropolitan Opera uraufgeführt und wird mit dieser Besetzung, mit dem gleichen Dirigenten und Regisseur sowie mit den gleichen Bühnenbildern, gewissermaßen als „Fertigprodukt“, und zwar in englischer Sprache, übernommen. „Fidelio“ und „Figaro“ werden in der Inszenierung des vergangenen Jahres aufgeführt. „Cosi fan tutte“ und „Don Carlos“ sollen wir fast ausschließlich mit italienischen Sängern hören. Echte Neuinszenierungen der heurigen Festspiele sind also nur „Arabella“ von Strauss-Hofmannsthal (1933 an der Dresdner Staatsoper uraufgeführt) und „Don Carlos“.

Auf Werfeis „Juarez und Maximilian“ fällt insofern ein Schatten, als dieses Stück gegen das ursprünglich vorgesehene, weniger bekannte und für Salzburg geeignetere „Gerettete Venedig“ von Hofmannsthal ausgetauscht wurde. (Warum wohl?) Von dem dramatischen Erstling des amerikanischen Lyrikers McLeish werden wir uns gern , überraschen lassen.

Studiert man den neuen Salzburger Prospekt und überdenkt seinen Inhalt, dann fragt man sich: Ist das'alles? Sieht so das zweite Jahr der lautstark angekündigten „neuen Aera“ der Festspiele aus? Und man fragt sich weiter: Wer mag dieses dürftige, völlig zusammenhanglose Programm ausgeheckt haben? Ein einzelner, dem nichts eingefallen ist? Oder ein Gremium, das nicht unter einen Hut zu bringen war? Ein Salzburger Blatt, von Haus aus mehr zum Laudator als zum bitteren Kritiker der einheimischen Festspiele prädisponiert (geht es ja dabei schließlich auch um den Fremdenverkehr!), schreibt über dieses Programm: „Es herrscht rundweg Einigkeit darüber, daß wir die nächstfällige Manifestation der salzburgischen Spielidee mehr oder wniger,',5a5oft bis tsflei*teeMeiKerfatgbarj9dem -ZrMtit f HbiwieadanjcBn. Wenns gar1 der; AusdraEfesKora'eipfcV in'die Debatte geworfen wird, so erkennt man vollends, wie sehr das Entscheidende fehlt.“

Für heuer ist wohl nichts mehr zu retten. Aber es steht 1960 knapp bevor, das Jahr, in dem das neue große Festspielhaus eröffnet werden soll und in dem die Subventionen, die seit 1955 von 4,5 auf 12 Millionen .Schilling angewachsen sind, um einige weitere Millionen erhöht werden müssen. — An welche Adresse also wäre ein Appell bezüglich des künftigen Festspielprogramms zu richten? — Und hier stockt man schon. Laut Festspielalmanach 1957 (S. 44) gibt es: *

ein Kuratorium (mit der Aufgabe der finanziellen Betreuung);

ein Direktorium (welches das Budget verwaltet und theoretisch das Programm fixiert: mit Landesrat losef Kaut, dem Leiter der Bundestheaterverwaltung, Dr. Bernhard Paumgartner und Baron Heinrich Puthon);

einen Kunstrat (dessen einzelne Mitglieder nicht namentlich aufgeführt sind);

den Präsidenten (Heinrich Puthon), der — ein hochverdienter Nestor — der würdigste Ehrenpräsident der Festspiele wäre;

den künstlerischen Leiter (Herbert von Karajan, der als vielbeschäftigter Dirigent in dieser Funktion überfordert ist);

und einen Generalsekretär sowie mehrere untergeordnete Stellen.

*

Wir sehen, solange kein erstklassiger Fachmann mit geistigem und künstlerischem Konzept zur Verfügung steht, der für diese wichtige Funktion hauptamtlich zu bestellen wäre, das Heil im Kunstrat, der heute anscheinend nur ein Schattendasein führt. Dieser Kunstrat besteht aus dem Komponisten Gottfried von Einem, dem Architekten Clemens Holzmeister, dem Regisseur und Schriftsteller Ernst Lothar, dem Bühnenbildner Caspar Neher, dem stellvertretenden Burgtheaterdirektor Friedrich Schreyvogel, dem Regisseur O. F. Schuh und dem Vorstand der Wiener Philharmoniker. Hier, im Kunstrat, ist eine Gruppe von Persönlichkeiten versammelt, die sehr wohl imstande wäre, ein Festspielprogramm von Niveau zu erstellen. Vorausgesetzt, daß der Kunstrat mehr als nur beratende Funktion ausübt.

Dann kann künftig nicht der Eindruck entstehen, als würden da in letzter Minute von untergeordneten Organen wichtige Entscheidungen getroffen. Es wird dann wohl auch nicht mehr vorkommen, daß ein Kernstück des Programms, die seit zehn Jahren traditionelle Opernuraufführung, fallengelassen und durch Auslandimport ersetzt wird. Ausgerechnet aus Amerika, dessen Opernproduktion in den Kinder sqhhe~4tok*. and-dtei nach-fei-w*ii4fn-.j.wf. handenen Proben, keineswegs dem Niveau der Mozart-Stadt entspricht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung