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Fest der großen Sänger
Um es gleich vorwegzunehmen: Die Festspiele der Bayrischen Staatsoper waren ein voller Kassenerfolg, aber kein eindeutiger künstlerischer , .. Fünf Opern von Richard Strauss, drei von Mozart, eine Oper von Gluck, zwei von Händel und zwei von Wagner bildeten das Kernprogramm des Münchner Opernfestes 195 9, das von drei Liederabenden, einem Orchesterkonzert der Wiener Philharmoniker und von zwei Serenaden abgerundet wurde. Von den dreizehn Opern standen elf bereits in der vergangenen Spielzeit (manche schon seit Jahren) auf dem Programm, eine davon wurde eigens für das Opernfest neu einstudiert: „Arabella“ von Strauss und Hofmannsthal. Die Aufführung wurde — wie erwartet — zu einem Höhepunkt. Die beiden Neuirßze- nierungen wirkten — wie nicht erwartet — sehr enttäuschend: „Ariadne auf Naxos“ von Strauss noch mehr als Wagners „Tannhäuser“ ...
Fast alle Vorstellungen waren schon Wochen vorher ausverkauft, zur Freude der Intendanz und zum Leidwesen der beträchtlichen Anzahl zu spät gekommener Opernfreunde, die (in vielen hundert Fällen) gerne 50 DM für einen Platz im Cuvilliėstheater oder 35 DM für einen im Prinzregententheater bezahlt hätten. Der Andrang — nicht nur aus dem Wirtschaftswunderdeutschland — war weitaus stärker als je zuvor. Um alle Wünsche zu erfüllen, hätte man (nach offiziellen Angaben) beispielsweise nicht nur elfmal, sondern rund fünfzigmal im Alten Residenztheater spielen müssen, das leider nicht mehr als 460 Zuschauer aufnimmt (während das Prinz- regententheate'r etwa 1100 fassen kann).
Der Hauptreiz für die meisten Opernfreunde waren zweifellos die Glanzbesetzung der dreizehn Opern, der einmalige Ruf des Cuvilliėstheaters (als Rokokojuwel und „schönstes Theater der Welt") und die Möglichkeit, fünf Hauptwerke von Richard Strauss i unter berühmten Dirigenten zu hören: „Ariadne auf Naxos" und „Arabella" unter Joseph K ei Iber th, dem Nachfolger Ferenc Fricsays als Generalmusikdirektor, „Elektra“ und „Rosenkavalier" unter Karl Böhm, den „Rosenkavalier" auch unter Hans Knappertsbusch und das „Cappriccio“ unter Robert Heger. Die Neuinszenierung der „A r i- adne auf Naxos" durch den Staatsintendanten
Rudolf Hartmann und den Bühnenbildner Helmut Jürgens wurde leider die größte Enttäuschung dieses Festes bedeutender Sänger. Auch Joseph K e i 1- berth trug dazu bei: durch Verschleppen dei Tempi; das schadet ebensosehr dem Werk wie der Zerbinetta Erika Köths und der (indisponierten! Leonie Rysanek in der Hauptrolle. Dagegen erreichte die „A r a b e 11 a“-Neueinstudierung höchstes Niveau: mit Lisa della Casa (in der Titelpartie) und Dietrich . Fischer-Dieskau (als Mandryka) hatte es das Trio Keilberth-Hartmann-Jürgens wirklich nicht schwer. — Inge Borkh spielte und sang sich, als Elektra derzeit unübertrefflich, leicht in den Vordergrund. Alle hervorragenden Sänger zu erwähnen, ist hier leidet unmöglich. — Die „Tannhäuser"-Neuinszenierung enttäuschte als schlechter Kompromiß: mißlungene Bayreuth-Imitation und konservative Rückfälle wurden auch nicht durch Dietrich Fischer-Dieskaus Wolfram von Eschenbach auf gewogen; Georg Solti dirigierte schwungvoll, unkonventionell und überzeugte. Neben der glänzenden „Arabella“, der faszinierenden „Elektra“, dem enttäuschenden „Tannhäuser" wirkte Händels Oper „Deidamia" („Achill unter den Mädchen“) als pathetisch-parodistischet Höhepunkt für Kenner und Liebhaber: Vorzügliche Ensembleleistung und gekonnt travestierende Regie (Heinz Arnold) ergänzten sich vortrefflich. Die zweite „Gedenkaufführung“ im Händel-Jahr, die Prunkoper „Julius Cäsar" (mit Lisa della Casa als Kleopatra und Josef Metternich in der Titelrolle) war als Eröffnungsvorstellung gut gewählt, im übrigen als Standardinszenierung seit 195 5 rühmlich bekannt.
Auch für „C o s 1 fan t u 11 e“, „Figaro" und die „E n t f ü h r u n g“ war mit Recht das Cuvillies- theater als stilvoller Rahmen gewählt worden. — Lovro von M a t a c i o, Robert Heger und Fritz Rieger wetteiferten im Bemühen um den grazilsten Mozart-Stil. Kieth Engen als Don Alfonso, Karl Kohn als Figaro und Erika Köth als Susanne und Konstante überragten jeweils ein gut eingespieltes Ensemble großteils sehr bekannter Sänger. So wurde das Münchner Opernfest trotz aller Enttäuschungen zu einem Fest der großen Sänger.
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